Erstellt von Hannes Höfer | |   Laufen

„Ich würde auch mit dem Teufel paktieren“

Grünen-Chef Eike Hallitzky in Laufen und Oberndorf – Leopold Kohr als politischer Lehrmeister

„Die vielen Baustellen in der Politik dulden keinen Aufschub“, sagt Eike Hallitzky am Salzachufer. Seine Bündnis-Grünen wollen diese Baustellen bearbeiten und Politik mitgestalten; demnächst auch wieder im Bund. In Oberndorf machte der bayerische Landesvorsitzende – begleitet von Kreis- und Ortsvertretern – Station auf seiner Wahlkampftour durch Bayern. Das Ziel hier an der Flussschleife: Das Leopold-Kohr-Denkmal an der gleichnamigen Uferpromenade. Der Oberndorfer Nationalökonom, Jurist, Staatsrechtler und Philosoph war ein Verfechter der kleinen Einheiten. Diese Sicht teilt Hallitzky nicht uneingeschränkt. Er ist überzeugt, dass ein großes, föderales Europa mit einer vernünftigen Machtverteilung funktionieren kann.

Der 58-Jährige Passauer saß von 2003 bis 2013 für die Grünen im Landtag. Damals hatte sich der Finanzexperte einen Namen gemacht als scharfer Kritiker von Staatsregierung und Landesbank. Zusammen mit Sigi Hagl steht er derzeit an der Spitze der bayerischen Grünen, daneben ist er Kreis- und Gemeinderat. Er kennt also die Sorgen und Probleme der Kommunen. Der gewaltige Flächenverbrauch ist eines davon. „Der neue Landesentwicklungsplan war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erklärt er den Start des Volksbegehrens gegen Flächenfraß. Über 13 Hektar werden in Bayern täglich zugebaut; der Freistaat ist damit Spitzenreiter der deutschen Bundesländer. Fünf Hektar sollen es zukünftig maximal sein, und Baden-Württemberg zeige, dass es möglich ist. Von einer „Obergrenze“ möchte Hallitzky nicht sprechen, zu „verbrannt“ sei dieser Begriff.

„Die Menschen spüren, dass es so nicht mehr weitergehen kann“, sagt er, „Lebensräume für Mensch und Tier, Insekten, Bienen, all das verschwindet.“ Die Grünen würden mit dieser Initiative „offene Türen einrennen“, ist Hallitzky überzeugt. Ein Vorschlag dazu lautet: Zertifikate entsprechend ihrer Einwohnerzahl und Fläche an die Kommunen zu vergeben. Die könnten die Zertifikate zum Beispiel ansparen, oder damit handeln, oder sich zusammentun. Bei der Frage nach der Nutzung der Flächen ist das Thema Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen in der Region nicht weit. Saaldorf-Surheim hat gerade eine Erweiterung abgelehnt, die Gemeinde Petting drei neuen Flächen zugestimmt. „Wenigstens nicht auf alle Zeiten verbaut, und in gewisser Weise noch landwirtschaftlich nutzbar“, urteilt Hallitzky darüber, präferieren würde er dafür aber eindeutig Dachflächen.

Stichwort Energiewende: „Die Politik muss nicht den genauen Weg vorgeben. Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele kreative Ansätze und Lösungen. In Summe stabilisieren sie das System.“ Eine andere Haltung erkennt der Grüne beim Ministerpräsidenten. „Seehofer sagt nein zu Leitungen und nein zur Windenergie. Das ist der falsche Weg.“

Vielleicht wäre das „menschliche Maß“ eines Leopold Kohr der richtige Weg, gibt Kreisvorsitzender Bernhard Zimmer zu bedenken. „Spannend“ findet er die Ideen des Oberndorfers, der in Puerto Rico, den USA und in Wales lehrte, und 1983 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden war. „Wenn etwas nicht funktioniert, dann ist es zu groß“, lautet vereinfacht Kohrs These. „Das wäre eine hochspannende Tagung“, meint Hallitzky darüber, „allerdings wäre es naiv zu glauben, kleine Einheiten würden keine Konflikte bringen.“ Der wahre Kern aber sei, dass zu Großes nicht mehr kontrollierbar sei. Ein föderales Europa, mit einer vernünftigen Machtverteilung, könne funktionieren, weshalb Hallitzky fordert: „Wir brauchen eine Vereinigung von Demokraten.“

Stadtrat Franz Eder blickt aus der nördlichsten Gemeinde auf den Landkreis. Mit der Biosphärenregion, einem neuen Weg der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Ökomodellregion seien „gute Ansätze“ da. Der Versuch eines interkommunalen Gewerbegebietes aber sei seit mehr als zehn Jahren von „Erfolglosigkeit gekrönt“. Bernhard Zimmer sieht das Vorgehen von Landkreis und Gemeinden, ansiedlungswillige Betriebe nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen, als richtigen Weg hin zu der beworbenen „lebenswerten Region“.

Auf dem Weg zur Bundestagswahl spürt der Landesvorsitzende viel Zustimmung für die Bündnis-Grünen. „50 Prozent wollen uns in der Regierung sehen“, behauptet er. Bloß in welcher? „Eine Koalition mit uns gibt es nur dann, wenn sich viel bei Klima- und Umweltschutz umsetzen lässt“. Aus seiner Abneigung gegen den einen und anderen Vertreter möglicher Koalitionspartner macht Hallitzky kein Hehl, aber: „Notfalls paktiere ich mit dem Teufel, um diese Ziele umzusetzen, denn viele Baustellen dulden keinen Zeitaufschub.“ Letzterem mochte Bernhard Zimmer zustimmen, „aber wer da Teufel ist, überlegen wir uns noch.“

„Opposition ist Mist“, zitiert Hallitzky den SPD-Politiker Franz Müntefering, relativiert aber sogleich diese Aussage: „Nein, es ist nicht so, dass man ohnmächtig wäre, aber in der Regierung geht es schneller.“ Im Übrigen sei er schon zu alt und zu ungeduldig, er möchte „lieber gestalten.“

Das Leopold-Kohr-Denkmal liegt nur einen Steinwurf von der Stille-Nacht-Kapelle entfernt. Dort stand einst die Sankt-Nicola-Kirche, wo das weltberühmte Weihnachtslied in der Christmette des Jahres 1818 erstmals erklang. Leopold Kohr hat während des Zweiten Weltkrieges in der amerikanischen Presse mit Verweis auf eben dieses Friedenslied dafür geworben, seine Heimat von den Nationalsozialisten zu befreien.

Bayerische Grüne am Oberndorfer Leopold-Kohr-Denkmal. Von links: Anneliese Kunkel, Erich Althammer, Franz Eder, Heike Haberl-Jani, Eike Hallitzky, Gerti Thoma, Elisabeth Hagenauer und Bernhard Zimmer.
Eike Hallitzky möchte, dass die Grünen mitregieren. Mit wem, da will er sich nicht festlegen. Fotos: Hannes Höfer