Erstellt von mw | |   Berchtesgadener Tal

Gemeinde übergreifende Zusammenarbeit und vorausschauende Politik

Grüne stellen Wahlprogramm und Kandidaten in Berchtesgaden vor.

 

Kürzlich luden Bündnis 90/Die Grünen ins Bräustüberl. Der Ortsverband Berchtesgadener Tal präsentierte dort den zahlreich erschienenen Besuchern Programm und Kandidaten zu den bevorstehenden Kommunalwahlen auf Kreis- und Gemeindeebene. Ortsvorsitzender und gleichzeitig Berchtesgadener Bürgermeisterkandidat Michael Widmann skizzierte seine Vorstellungen grüner Gemeindepolitik in der Marktgemeinde Berchtesgaden. Als weitere Redner konnte er neben dem Landratskandidaten Edwin Hertlein aus Teisendorf auch den an der Fachhochschule Salzburg lehrenden Forstwirt Prof. Dr. Bernhard Zimmer aus Piding begrüßen, der in seinen äußerst interessanten Ausführungen die Notwendigkeit kommunalpolitischen Handelns im Zuge des Klimawandels eindringlich unterstrich.

 

Michael Widmann verwahrte sich zunächst gegen den zuletzt öfter gehörten Vorwurf, nur ein Alibikandidat zu sein. Er sei im Markt geboren und aufgewachsen und wohne inzwischen auch wieder im Markt. Sein Arbeitsleben spiele sich seit vielen Jahren am Finanzamt im Markt ab. Als langjähriger Gemeinderat, als Mitglied in mehreren Ausschüssen und nicht zuletzt als 3. Bürgermeister in Bischofswiesen bringe er zudem die notwendige kommunalpolitische Erfahrung mit. „Die Kandidatur für das Bürgermeisteramt ist da nur ein logischer nächster Schritt!“, betonte er.

 

Michael Widmann möchte sein Augenmerk in den nächsten Jahren verstärkt auf die von der Marktgemeinde sträflich vernachlässigte Jugendarbeit richten. Die vielen Vereine im Talkessel nähmen hier in dankenswerter Weise eine wichtige Funktion ein. Immerhin etwa ein Fünftel der Jugendlichen müsse aber außerhalb der Vereine über die sogenannte offene Jugendarbeit erreicht werden. Die Marktgemeinde müsse hier einen wesentlich stärkeren Beitrag leisten. Derzeit pflege sie keinerlei Kontakt zu Jugendamt und Kreisjugendring und verweigere auch eine angemessene Unterstützung für die wichtige Einrichtung Jugendheim.

 

In allen Gemeinden des Talkessels sei der Tourismus als Hauptwirtschaftszweig natürlich ein wichtiges Thema. Der Ausbau des Wintersportangebots sei kein Weg, der aus der nun schon viele Jahre anhaltenden Stagnation führen könne. Angesichts des Klimawandels solle man stattdessen froh sein, vom Wintersport nicht so abhängig zu sein wie andere Tourismusregionen. Der dadurch vorhandene Vorsprung dürfe nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Widmann erinnerte daran, dass das Wandern die Boomsportart Nummer eins sei.

 

Die Grünen würden den gesamten Talkessel als eine Einheit sehen. Nach der gescheiterten Privatinitiative zur Gemeindezusammenlegung wäre es umso wichtiger, die Zusammenarbeit zwischen den fünf Gemeinden zu stärken. Lippenbekenntnisse würden hier aber nicht weiterhelfen. Konkret könne er sich einen Gewerbesteuerverbund vorstellen oder einen Wasserzweckverband. Wo immer es gehe, müsse man Handeln und Auftreten wie eine einzige Gemeinde. Nur so ließen sich Kosten einsparen, Kräfte bündeln und unsinnige Konkurrenz vermeiden

 

Landratskandidat Edwin Hertlein hob in seinen Ausführungen hervor, dass sich die Grünen in ihrem langen Wirken im Kreisrat nie vor unpopulären Themen gedrückt hätten. Dafür wären sie immer wieder kritisiert worden, unbequeme Wahrheiten hätten sich aber leider nur allzu oft bestätigt. Konstruktiv eingebrachte Vorschläge wurden vorschnell verworfen und damit wichtige Zeit verspielt. „Die Entwicklung bei den Krankenhäusern wurde völlig verschlafen“ meinte Edwin Hertlein und hob damit ein besonders schwerwiegendes Versäumnis hervor. Inzwischen würde man den Vorschlägen der Grünen zwar fast einstimmig folgen, bei schnellerer Umsetzung hätte man den negativen Auswirkungen der katastrophalen Gesundheitspolitik aber wesentlich effektiver begegnen können.

 

Eingelenkt habe der politische Gegner inzwischen auch beim Biosphärenreservat, dessen Nutzen lange Zeit nicht erkannt worden wäre. Im Lauf der Jahre wurden so dringend notwendige Fördermittel in Millionenhöhe verschenkt. Ein weiteres Beispiel sei die Erfolgsgeschichte der Dokumentationsstelle am Obersalzberg. Die gegen den erklärten Willen des heutigen Landrats durchgesetzte Einrichtung erweise sich heute als Tourismusmagnet ersten Ranges, während man mit äußerst unprofitablen Schneekanonen und mehreren Olympiabewerbungen bisher noch nicht punkten konnte. Auch die neuerliche Olympiabewerbung werde aus vorhersehbaren Gründen scheitern, so dass man lieber auf andere Konzepte zur Stärkung des Wintertourismus bauen sollte.

 

Die Grünen im Landkreis hätten schon vor 1990 den Klimawandel thematisiert und auf den dringenden Handlungsbedarf hingewiesen. In den derzeit verteilten Broschüren der anderen Parteien und Gruppierungen spiele dieses Thema aber auch heute noch keine Rolle. Damit leitete Hertlein über auf das Referat von Prof. Dr. Bernhard Zimmer. „Das Thema Klimawandel kann uns gar nicht wichtig genug sein!“ betonte der Klimaexperte auch sogleich und wies nach sehr interessanten Ausführungen zu den Ursachen des Klimawandels darauf hin, dass das globale Problem Erderwärmung einschneidende Veränderungen auch auf lokaler Ebene mit sich bringen werde. Erste Anzeichen seien schon jetzt zu verspüren. Ein Temperaturrekord jage den nächsten und Jahrhundertereignisse wie zuletzt z.B. der Orkansturm Kyrill fänden inzwischen schon alle 5 bis 10 Jahre statt. Schutzwälder drohten in der Folge ihre Funktion zu verlieren und Siedlungen und Straßen wären in immer höherem Maße gefährdet. Niederschlagsarme Sommer und Winter hätten gravierende Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft und wegen der gestiegenen Temperaturen ließe sich der Schneemangel unter etwa 1 500 Höhenmetern auch mit Schneekanonen nicht mehr ausgleichen. Die Kommunalpolitik könne in gewissen Maße zum Klimaschutz beitragen, etwa mit der Förderung regenerativer Energien oder mit Altbausanierungen, müsse sich zudem aber auch auf die veränderten Bedingungen in vielen Bereichen frühzeitig einstellen und althergebrachte Rezepte infrage stellen.