Erstellt von Hannes Höfer | |   Saaldorf-Surheim

„Wer Pläne macht, braucht ein Ziel“

Ortsentwicklungsplan läuft aus Sicht der Grünen nicht optimal – Schwerverkehr und Wasser Themen der Ortsversammlung

Die Bündnis-Grünen in Saaldorf-Surheim trauen sich, auch öffentlich uneins zu sein, die Kollegensicht nicht uneingeschränkt zu teilen. Etwa wenn es um Prioritäten der Politik geht oder um Motorsport in der Gemeinde. Einig dagegen ist man sich in dem Urteil, dass der Prozess Ortsentwicklungsplan nicht optimal läuft. In einer öffentlichen Ortsversammlung im Gasthaus Neuwirt sprach man über vieles, was die Gemeinde zur Zeit bewegt. „Die Sache mit dem Lenkungskreis haben manche nicht richtig begriffen“, meinte etwa Norbert Höhn, da werde schon mal über Heckenschneiden und Brennnessel-Plagen diskutiert. Dennoch sei nicht alles schlecht, urteilt der Ex-Gemeinderat über den Ortsentwicklungsplan, würde sich jedoch eine bessere Information der Öffentlichkeit zum Verfahrensstand wünschen. Grundsätzliche Probleme mit dem Prozess hat Ortsvorsitzender Kurt Schwarzenbacher. „Wer Pläne macht, braucht ein Ziel.“ Das aber sieht er nicht und fragte: „Wo wollen wir hin?“ Will man etwa mehr Wachstum und Gewerbe? Gemeinderat Dr. Notker Mallach sieht die Grenzen eines solchen Prozesses: Einerseits heiße es, man wolle die Verkehrsbelastung mindern und deren Auswirkungen gering halten, anderseits empfehle man, Straßen so auszubauen, dass sie dem Verkehr gerecht würden. Er selbst hat zu dem Plan einige Ideen. So plädiert der frühere Forstmann für ein drittes Zentrum in den Gemeinde neben den beiden Hauptorten. „Aus atmosphärischen Gründen“, wie er sagte. In Saaldorf möchte Mallach den dörflichen Charakter erhalten und Gewerbe eher in Surheim ansiedeln, auch wenn das „paritätische Denken“ in den ehemals eigenständigen Gemeinden immer noch sehr ausgeprägt sei: Motto: „Wenn der andere was kriegt, wollen wir das auch.“ Beispiel Feuerwehr. Bei den sogenannten Wirtshausgesprächen, wo die Bürger ihre Ideen einbringen sollen, sieht Hans Weiß ein starkes Gewicht der Bauern und deren Themen. Etwa eine Unterführung der B 20 und der Auwald. „Der Schwerlastverkehr war zunächst gar kein Thema“, erinnerte sich der langjährige Ortsvorsitzende. Bei den Grünen ist er ein Thema. Wenngleich der Lkw-Verkehr nach übereinstimmenden Angaben insgesamt durch Surheim zurückgegangen sei, beobachtete Kurt Schwarzenbacher gelegentlich Schotter- und Humuslaster im „Minutentakt“. Darüber wollen die Gemeinde-Grünen mit ihren Freilassinger Kollegen reden. Denn eine Verlagerung des Problems nach Freilassing kann aus Höhns Sicht nicht die Lösung sein. Auch das Thema Trinkwasser und dessen vergleichsweise hoher Nitratgehalt sollte man gemeinsam behandeln, schlug Schwarzenbacher vor. Gemeinderat Mallach sieht darin jedoch „kein vordringliches Problem“. Von der Idee, Wasser nicht mehr von der Surgruppe zu beziehen und es woanders herzuholen, hält er wenig. Stattdessen sollte man sich hier in der Region um Verbesserungen bemühen. Dazu gehörten auch die Probleme beim Abtsee und in der Landwirtschaft. „Die wird doch immer geschont“, beklagte Weiß und mahnte: „Wasser ist ein Grundnahrungsmittel.“ Einig war man sich, demnächst einen Fachmann zum Thema Trinkwasser einzuladen. Seit 25 Jahren schon forderten die Grünen Beschlussvorlagen für die Tagesordnungspunkte der Gemeinderatssitzungen, erinnerte Höhn die Versammlung. Was in anderen Kommunen selbstverständlich sei, gebe es im Saaldorfer Rathaus nicht. „Entscheidend bei einem Beschluss ist die Formulierung“, unterstützte ihn Mallach, der durchaus „raffinierte Möglichkeiten“ sieht, Beschlüsse „auslegungsfähig“ zu gestalten. „Wir werden dran bleiben“, versprach er Kollegen und Gästen. Ortsvorsitzender Schwarzenbacher vermisst Termine und Tagesordnung der Sitzungen auf der Internetseite der Gemeinde. „Es ist nicht bürgerfreundlich, wenn ich das erst suchen muss.“ Uneins waren sich die beiden Grünen-Gemeinderäte in Sachen Motorsport. Während Karin Kleinert dem Antrag des Motorsportclubs Freilassing zustimmte, machte Mallach seine ablehnende Haltung noch einmal deutlich. „Eine Rallye ist das falsche Signal.“ Durch die Dörfer und ein Naherholungsgebiet nahe des Haarmooses zu brettern, sei ein „Symbol in die falsche Richtung“ und eine „Energieverschleuderung“. Mallach sieht „umweltschädlichen“ Sport aufgewertet, der aus seiner Sicht gar kein Sport sei. Ähnlich kritisch seine Haltung zum Markenentwicklungsprozess im Landkreis. „Die Richtung stimmt schon nicht“, meint Mallach über das 170.000-Euro-Konzept. Der pensionierte Forstmann sieht nicht eine, sondern drei eigenständige Regionen im Landkreis, nämlich Berchtesgaden, dann Reichenhall mit Bayerisch Gmain und schließlich den Rupertiwinkel, „bayerisch Salzburg“ wie er es nennt. „80 Personen-Arbeitstage für solch schwache Sprüche“, beschrieb Mallach die Vorstellung im Freilassinger Rathaus und wurde noch drastischer: „Krampf und Totgeburt“. Gleichwohl hatte der Saaldorf-Surheimer Gemeinderat dem Konzept mit 18 gegen zwei Stimmen zugestimmt. Die zweite Gegenstimme war nicht von seiner Kollegin Kleinert gekommen. Die war an diesem Abend verhindert und konnte daher ihre Sicht nicht darlegen. Matthias Seufert mahnte zu mehr Engagement in Sachen Freihandelsabkommen. Noch vor der Sommerpause möchte er eine Veranstaltung mit Film organisieren, und baldmöglichst mit einer Plakataktion Bürger auf Protestmöglichkeiten aufmerksam machen. Eine „stabile Mehrheit“ im Gemeinderat habe immerhin eine Resolution gegen TTIP und Co. unterstützt, fand Notker Mallach doch noch einen versöhnlichen und lobenden Schluss. Hannes Höfer

Kurt Schwarzenbacher: „Wollen wir immer noch mehr Wachstum?“
Notker Mallach: „Wir haben andere Probleme“