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Flächenverbrauch im Landkreis: „Der Wahnsinn geht weiter“

Prof. Zimmer: Der „Geldadel“ kauft Flächen auf und macht die Gemeinden mürbe. Jedes Jahr wird in Bayern eine Fläche von der Größe des Starnberger Sees verbaut. Wenn das so weiter geht, wird der Freistaat in 500 Jahren zubetoniert sein. Dass dies hier im Berchtesgadener Land deutlich schneller der Fall sein würde, daran zweifelte keiner der Besucher in Saaldorf. Professor Dr. Bernhard Zimmer hat bei der Ökoliste Saaldorf-Surheim heftige Kritik an den Gemeindeverantwortlichen geübt.

„Mit dem Argument einer hohen Gewerbesteuer und neuen Arbeitsplätzen locken die Investoren jeden Gemeinderat aus der Ecke.“ Beides aber halte einer näheren Betrachtung nicht stand. In den ersten Jahren mache kein neu errichteter Betrieb Gewinn und bei großen Konzernen fließen die Steuern, wenn überhaupt, dorthin wo die Zentrale sitzt. Die neuen Arbeitplätze seien häufig 400-Euro-Jobs, die wenig dauerhaft sind, weil die Angestellten nach einer gewissen Zeit einen Anspruch auf Festverträge hätten. Dazu komme, dass dafür wertvolle Arbeitsplätze im örtlichen Einzelhandel verloren gingen.

Sozialstrukturen seien gefährdet, wenn junge Leute lieber als Regaleinräumer jobbten, anstatt einen Beruf zu erlernen.

„Was hat eine Gemeinde davon?“, fragt Zimmer, der in Piding für das Amt des Bürgermeisters kandidiert. In aller Regel stünden „Riesenschachteln oder Blechhütten“ in der Landschaft und irgendwo spitze noch der Kirchturm des Altdorfes aus der Betonwüste. „Es sind immer wieder die gleichen Fehler“, klagt der Fachhochschullehrer. Zuerst werde gebaut und dann müsse man versuchen, die Verkehrsprobleme zu lösen. Bestes Beispiel dafür sei der Globus-Markt in Freilassing. „Die Gemeinden stellen billige Flächen zur Verfügung, haben aber nichts davon.“

 

„Entlang der Autobahn ist Aicherland“

 

„Wo soll der Umsatz herkommen? Kaufkraft werde nur verlagert“, lautet seine Einschätzung; es werde ja insgesamt nicht mehr gekauft. Wenn es um Investoren gehe, tauchten immer die gleichen Namen auf. Der hiesige „Geldadel“ kaufe spekulativ Flächen auf und mache die Gemeinden mürbe. Investoren wüssten sehr gut, welche Gemeinden Geld brauchen. „Man muss den Salzburgern das Wasser abgraben“, hatte Finanzminister Erwin Huber mit Blick auf die Walser Zentren gefordert und deshalb in Piding ein „Zielabweichungsverfahren“ zugunsten eines Factory-Outlet-Centers zugelassen. „Vom Ziel abweichen. Das allein sagt alles“, meint Dr. Zimmer. „Dieses FOC ist die Eingangspforte für eine Bebauung bis Neukirchen.“ In aller Regel würden solche Themen und Planungen in den Kommunen nicht öffentlich diskutiert, alles sei „top secret“. Als Zielgruppe solcher Einkaufstempel sieht er in die Schnäppchenjäger. „Sparen durch kaufen“ laute deren „irrsinnige“ Lebensphilosophie. 

 

Urlauber fühlen sich wie „daheim“

 

„Wer soll bei uns Urlaub machen, wenn es hier genauso aussieht wie beim Urlauber daheim?“, fragt Zimmer. Der Tourismus werde unter dieser Entwicklung leiden. „Wenn eine Fläche versiegelt ist, ist sie weg.“

Ökolisten-Spitzenkandidat Norbert Höhn hielt die Idee eines interkommunalen, also gemeinsamen Gewerbegebietes der Landkreisgemeinden für eine gute, „aber es war eine Missgeburt und es blieb ein Restverein“. In Saaldorf-Surheim könne er wenig planerisches Verhalten erkennen, man hechle hinterher und reagiere. Anstatt sich Leitlinien zu geben, würde man „so dahinwurschteln“. „Ein hervorragendes Papier aus dem Arbeitskreis Zukunft ist in der Schublade verschwunden.“ Damit das anders werde, bittet Höhn eindringlich alle, zur Wahl zu gehen. Damit das komplizierte bayerische Wahlrecht durchschaubarer werde, haben die Grünen eine „Probewahl“ in ihre Homepage gestellt.

Professor Zimmer erzählt zum Schluss, wie es ihm ergangen sei, als er ein defektes Elektronikbauteil in einem großen Kaufhaus umtauschen wollte. Schließlich war er froh über ein kleines Geschäft am Ort mit Service, Reparaturangebot und kundenfreundlicher Beratung. „Viele Bürger spüren, dass es so, wie es läuft, nicht mehr funktioniert“, ist er überzeugt. „Die Zeit ist reif für dieses Thema.“