Der Zaun am Abtsee-Strandbad schlägt weiterhin hohe Wellen. Auch bei Laufens Grünen. Die hatten sich dort zu ihrem Sommerstammtisch getroffen, um die Kritik an dem „nicht genehmigten Zaun“ noch einmal deutlich zu machen. War diese Lösung wirklich so alternativlos, wie es der Bürgermeister darstellt? Bringt das hohe Gitter möglicherweise eher Gefahr als Sicherheit? Herrscht hier eine übertriebene Ängstlichkeit von Bürgermeister und Verwaltung, wie Winfried Köpnick spekulierte.
Der Richter am Amtsgericht bedauert, dass auch hierzulande Entscheidungen häufig „in Richtung USA“ gingen. Unstrittig sieht Köpnick jedoch das rechtliche Grundprinzip: „Man darf niemanden in eine Falle tappen lassen. Aber die Eigenverantwortung ist nicht vollkommen aufgehoben.“ Als „Skandal“ bezeichnet Köpnick die Version des Bürgermeisters, wonach die weitergehende Einbeziehung des Stadtrates unnötig gewesen wäre, weil diese jetzige Lösung alternativlos sei.
An einem Umstand hat Stadt- und Kreisrat Franz Eder keinen Zweifel: „Es handelt sich um einen Schwarzbau.“ Den versuche nun Geschäftsleiter Christian Reiter mit einem Antrag im Nachhinein zu legalisieren. Er, Eder, habe dazu vom Landratsamt noch keine Antwort erhalten. Stattdessen habe die Stadtverwaltung von der Gesellschaft für Badewesen ergänzende Gutachten angefordert. „Wieder ohne Wissen und Auftrag des Stadtrates.“ Eder vermutet, dass solche Gutachten nach überall hin verkauft würden.
„Verwundert“ zeigt sich Ex-Stadtrat Georg Linner: „Jeder Gutachter weiß, seine Wahrheit ist nicht die einzige Wahrheit. Aber sie schafft Tatsachen.“ Stadtrat Erich Althammer verweist auf andere Bäder und andere Gutachten: „Vielleicht wäre die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft die bessere Alternative gewesen.“ Ortssprecher Matthias Lutz würde sich wünschen, dass derlei Gutachten öffentlich zugänglich gemacht werden und Seeanlieger Christian Lackner beansprucht „als Steuerzahler“ das Recht zu erfahren, wo wieviel Geld hinfließt. Lackner sieht bei all dem ein „Schreckgespenst“ aufgeblasen, denn er wisse in den 70 Jahren seines Hierseins von keinem dramatischen Zwischenfall. Tina von Hake, ebenfalls Nachbarin, erkennt sogar eine gegenteilige Entwicklung: „Die Kinder klettern auf diesen Zaun, und am Ende bricht sich dabei jemand das Genick.“ Die Sicherheitslage sei damit „drastisch verschlechtert“, urteilt auch Linner.
Das vorrangige – und so mehrfach erklärte – Ziel von Bürgermeister und Verwaltung, damit aus jeglicher Haftung zu sein, sieht Ortssprecher Matthias Lutz jedenfalls nicht erreicht: „Das Problem ist mit diesem ungenehmigten Zaun nicht aus der Welt.“ Lutz ist nicht grundsätzlich gegen Sicherheitsmaßnahmen, doch die müssten gemeinsam diskutiert und entschieden werden. Einig sind sich die Grünen-Vertreter, dass dieses vielzitierte BGH-Urteil mit der Situation am Abtsee nichts zu tun habe. Diverse Antworten zu Anfragen an den bayerischen Landtag hätten dies aus Sicht Eders bestätigt.
Stadtrat Michael Spitzauer verteidigt die Unterschriftenaktion von Grünen und SPD gegen Aktionismus- und Populismusvorwürfe als die Suche nach einem „Meinungsbild“. Wie berichtet, hatten sich rund 970 Laufener und Auswärtige gegen diesen Zaun und für eine andere Lösung ausgesprochen. Zumindest die Prüfung anderer Lösungen wünscht sich SPD-Rätin Gabriele Hirche: „Schauen, was möglich ist.“ Sie hat dazu einen Antrag in den Stadtrat eingebracht.
Karl Stanggassinger hat mitverfolgt, wie am Strandbad „Stück für Stück“ abgebaut wurde: Sprungturm, Rutsche, Insel. Ehrenamtliche Wasserretter hätten das Areal verlassen, weil es keine Räumlichkeiten gab. „Es braucht einen Kümmerer“, bilanziert der frühere Stadtrat, „aber den haben wir in Laufen nicht.“ Althammer könnte sich zumindest eine „Badeaufsicht“ an 50 Tagen wie am Leitgeringer See vorstellen. Die Summen, die von der Stadt für erforderliches Personal genannt wurden, hält er für „nicht reell“. Eine Besucherin reagiert darauf sarkastisch: „Dafür braucht‘s drei Leute, um Blumeninseln zu gießen.“
Heike-Haberl-Jani erinnert in diesem Zusammenhang an ein Konzept der Orts-Grünen zu einem kinderfreundlichen Seezugang am Freizeitgelände, der von den Räten in Laufen und in Saaldorf-Surheim einstimmig befürwortet und von den Kreisräten der beiden Gemeinden in den Kreistag eingebracht wurde. Bislang ohne Entscheidung.
„Jeder handelt doch selbstverantwortlich. Wir verlieren unser ganz normales Verhalten“, hadert Eder mit der permanenten Suche nach einem Schuldigen, während Andreas Spitzauer auf den „Schwarzbau“ und mögliche juristische Folgen schaut. „Derzeit brütet das Landratsamt darüber, wie sich der legalisieren lässt“, erwidert der frühere Kreisrat Winfried Köpnick, der das Stadtoberhaupt nicht schont: „Das ist Hasenfüßigkeit. Wer nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, ist nicht der Richtige auf dem Platz.“ Allerdings gesteht auch der Strafrichter: „Die Grenzen haben sich verschoben.“ Franz Eder schließt versöhnlicher: „Es fällt doch keinem ein Zacken aus der Krone, wenn er eine Entscheidung überdenkt.“
Andreas, 54 Jahre, ein Urlaubsgast aus Tirol, gesellt sich zu der großen Runde. Gefragt, was er von dem Gitterzaun hält, sagt er in schönem Tirolerisch: „I bin doll erschrock‘n.“ Er habe das Laufener Strandbad lieben und schätzen gelernt, weil es ein Urlaubsgefühl „wie früher“ vermittle. „Doch dieser Zaun nimmt was davon weg.“