Ein als „fair“ angebotenes Produkt ist nicht unbedingt zu 100 Prozent fair. Es gibt Mischprodukte, es gibt die Möglichkeit des Mengenausgleich, vor allem aber gibt es unterschiedliche „Fair-Trade-Siegel“. Zunehmend haben Discounter und Supermärkte das Potential solcher „ausgezeichneter“ Produkte entdeckt und machen damit eingesessenen Weltladen Konkurrenz – oft zu günstigeren Preisen. Mit der Frage „Ist Fairtrade gleich Fairtrade?“ befasste sich kürzlich der zweite Online-Stammtisch der Laufener Grünen. Mit in der Leitung 15 Interessierte.
Wolfgang Ehrenlechner ist Wahlkreiskandidat der Bündnis-Grünen Der 39-jährige Teisendorfer ist seit vielen Jahre ehrenamtlich mit dem Thema fairer Handel befasst. Inzwischen auch beruflich. Er ist Geschäftsführer im Bund der Deutschen Katholischen Jugend und Geschäftsführer der Bundeszentrale für katholische Jugendarbeit. Der Fachmann hat für Stammtischgäste eine Präsentation zum Thema vorbereitet.
Sehr eindeutig ist dabei das bekannte Fair-Trade-Logo, das bestätigt, dass alle Zutaten zu 100 Prozent unter Fair-Trade-Bedingungen angebaut, gehandelt und rückverfolgbar sind. Beispiel Kaffee oder Bananen. Der Pfeil am Logo verweist auf ein Mischprodukt und auf weiterführende Informationen. Ein Mengenausgleich verlangt, dass nur so viele Produkte als fair verkauft werden darf, wie in einer Mischung rechnerisch enthalten ist.
Ehrenlechner weiß um das Verwirrpotential weiterer und unterschiedlicher Siegel. Etwa bei Kosmetika und Textilien. „Fair angebaute Baumwolle bedeutet nicht, dass sie anschließend auch fair verarbeitet wurde“, so Ehrenlechner, der sich von Düsseldorf aus in den Laufener Stammtisch eingewählt hat. „Ich habe auf diese Probleme immer wieder hingewiesen, weil es nicht sein kann, dass die Sauereien in der weiteren Produktion passieren.“ Dieser „lange Prozess“ habe sich inzwischen etwas weiterentwickelt, stellt er fest. Und somit auch neue Siegel. So gibt es reine Rohstoffsiegel, die sich allein auf Kakao, Zucker, Palmöl oder Gold beziehen.
Hier schaltet sich Weltladen-Vorsitzende Angelika Schuster in die Diskussion ein: „Früher war der Anteil 100 Prozent, bei Mischprodukten mindestens 50.“ Dass jetzt nurmehr 20 Prozent gefordert werden, nennt Schuster eine „Mogelpackung“. Sie beklagt: „Das Ganze wird verwässert und undurchsichtig. Es gibt zu viele Nischen.“
Eindeutig sei die Lage bei GEPA, die deutschland- und europaweit größte Handelsorganisation fairer Produkte, macht Ehrenlechner deutlich. „Hier sind es 100 Prozent, von der Ernte bis zum Vertrieb, weil GEPA dafür die Verantwortung übernimmt“ Aber: „Für vieles gibt es noch gar keine Standards“, stellt der Fachmann fest, „zum Beispiel bei Elektronik, denn das ist sehr kompliziert.“ Umso eindeutiger ist sein Plädoyer für ein klares europaweites Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen.
Das Buch „Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ empfiehlt Elke Neubauer aus Fridolfing, der „ein aussagekräftiges Siegel“ lieber wäre. Eine Buchempfehlung hat auch Angelika Schuster parat: „Fair einkaufen – aber wie?“ Damit ist die Weltladen-Chefin bei ihrem Thema: „Die Weltläden werben seit 50 Jahren für fairen Handel. Und wir haben GEPA groß gemacht.“ Doch nun stünden diese Produkte auch in den Regalen von Edeka, das günstiger einkaufen und damit billiger verkaufen könne. „Ich finde das nicht fair“, macht Schuster aus ihrem Herzen keine Mördergrube und spricht von „Greenwashing“, um das Image aufzubessern.
Vor allem aber seien Weltläden nicht gewinnorientiert, Überschüsse kämen zur Gänze den Organisationen zugute oder würden gespendet. „Wirtschaft muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt“, sagt sie. Ehrenlechner bestätigt, dass die Weltläden einer der wichtigsten Vertriebswege von GEPA seien. Doch deren Absätze stagnierten, „manche schließen wegen Überalterung.“ Daher müsse der faire Handelt auf weiteren Beinen stehen. „Das Segment in Supermärkten und Handelsketten ist am Wachsen. Auch Gastronomie und Hotellerie haben großes Potential.“ Vorrangiges Ziel müsse es weiterhin sein, dass mehr Menschen von einem fairen Handel profitieren, macht Wolfgang Ehrenlechner bei allem Verständnis deutlich. Schuster empfiehlt schließlich dem Verbraucher selbst zu entscheiden, welchen Vertrieb er lieber unterstütze. „Im Weltladen ist alles fair“, wirbt Gerti Thoma für das Geschäft am Rupertusplatz.
„Laufen macht eine Superarbeit“, würdigte Elke Neubauer, die freilich um die problematische Altersstruktur der Aktiven andernorts weiß: „Eine solche Versorgung kann ein Dorf wie Fridolfing nicht leisten. Selbst Freilassing hat zugemacht.“ Allein wegen des fairen Einkaufs nach Laufen zu fahren, wäre ökologisch fragwürdig, stellt Neubauer abschließend fest. „Wir kriegen Nachwuchs“, sagt Schuster über ihre Laufener Truppe, „und wir haben von Montag bis Samstag geöffnet.“ Doch sie müssten mehr für die Waren bezahlen als Edeka.
„Unterschiedliche Preise im gleichen Ort“, hält auch Ortssprecher Matthias Lutz für problematisch. Der Moderator des Abends hat ein „Anzeigenblatt“ zum Thema parat, das für „Armutsbekämpfung mit Genuss“ wirbt. Lutz rät zum Besuch des „Premium-Weltladens“, damit auch künftig wichtige Projekte unterstützt werden können.
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10 Punkte für fairen Handel
Für Wolfgang Ehrenlechner geht es um nichts weniger als eine gerechtere Welt. Und dazu gehören faire Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung. „Wir müssen mithelfen, die Lebensbedingungen zu verbessern und die Ausbeutung von Kindern und Arbeitern zu bekämpfen“, sagt er beim Online-Stammtisch der Laufener Grünen (siehe Bericht).
Dafür hat die WFTO (World Fair Trade Organisation) zehn Prinzipien ausgearbeitet:
1. Chancen für wirtschaftlich benachteiligte Produzenten schaffen.
2. Transparenz und Verantwortlichkeit.
3. Faire Handelspraktiken.
4. Faire Bezahlung.
5. Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit und Zwangsarbeit.
6. Verpflichtung zu Nicht-Diskriminierung, Geschlechtergerechtigkeit und Vereinigungsfreiheit.
7. Sicherstellen von guten Arbeitsbedingungen.
8. Förderung der Fähigkeiten.
9. Förderung des Fairen Handels.
10. Schutz der Umwelt.
Ziel muss es für Ehrenlechner sein, den Anteil der Menschen, die davon profitieren, zu erweitern. So müsse ein Lieferkettengesetz Unternehmen verpflichten, auch für jene Verantwortung zu übernehmen, die entlang globalisierter Zulieferstrukturen für sie arbeiten.