Erstellt von Hannes Höfer | |   Kreisverband

Das Wahlrecht ist ein Grundnahrungsmittel der Demokratie

Laufen / Oberndorf. Sie sei froh, wenn sie aus dem „Tollhaus“ Berlin rauszukomme, gestand Claudia Roth am Laufener Europasteg. Denn dort in der Hauptstadt habe man ein Jahr nach der Bundestagswahl immer noch nicht angefangen zu regieren. Und mit der AfD sei es im deutschen Bundestag nicht mehr, wie es bisher war. Auf Einladung des Grünen-Landtagskandidaten Dr. Bernhard Zimmer war die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages in seinen Wahlkreis gekommen. Und am Sonntagnachmittag nach Laufen.

Am 11. August 2009 war Claudia Roth schon einmal in Laufen gewesen, damals als Parteivorsitzende. Angesichts der massiven Drohungen im Netz, müsste Roth eigentlich mit Personenschützern unterwegs sein. Aber das will sie nicht. „Claudia hat keine Angst vor dem Bürger“, meinte dazu Bernhard Zimmer, der in diesem Zusammenhang gleich eine Breitseite gegen den Ainringer AfD-Bundestagsabgeordneten Hansjörg Müller abfeuerte: „Der marschiert in Chemnitz hinter Björn Höcke.“ Ausgerechnet einer aus der „Täterregion“ Berchtesgadener Land – Stichwort Obersalzberg – gehöre zu den „ganz harten in der AfD.“

Gegen das Recht der Lautesten, dass Leute wir Putin, Trump und Erdogan für sich in Anspruch nähmen, wehrt sich auch Roth. „Demokratie, Rechtsstaat und Pressefreiheit dürfen nicht unter die Räder kommen“, warnte sie und warb für ein „offenes und grenzenloses Europa“. Das sieht der Laufener Stadtrat Franz Eder in Gefahr: „Dieser Europasteg wurde 2006 eröffnet, der Schlagbaum an der Brücke von den beiden Bürgermeistern 1998 durchgesägt. Dass hier nun wieder Grenzkontrollen stattfinden, ist unsäglich.“

„Aufhören mit Symbolpolitik“, fordert Roth in Richtung Markus Söder, der Schengen in Frage stelle und seine bayerische Grenzpolizei etabliere. „Es gibt keine Wahl, die nichts mit Europa zu tun hätte“, blickte Roth auf die kommende Landtagswahl in Bayern, wo es eine langandauernde Hängepartie wie im Bund nicht geben wird, denn vier Wochen nach der Wahl muss eine Regierung stehen und ein Ministerpräsident gewählt werden. „Die Bürger wollen Entscheidungen“, schaut die Vizepräsidentin nach Berlin, wo Seehofer, Merkel und Nahles eine „entrückte Politik“ machten und nicht mehr merkten, „was draußen passiert.“ Die politische Führung habe sich zu einer Parallelgesellschaft entwickelt.

Franz Eder begrüßte am Europasteg ausdrücklich Stiftsdekan Simon Eibl, der „Minibrote“ als „Frucht der Erde und der Arbeit“ mitgebracht hatte. „Wir schätzen unseren Pfarrer sehr, weil er die Ungerechtigkeiten der Welt klar benennt“, lobte Eder, was Roth spontan so kommentierte: „Da hat er viel zu tun.“  2. Bürgermeisterin Brigitte Rudholzer hatte das Goldene Buch der Stadt Laufen mitgebracht, wo sich Roth bereits 2009 eingetragen hatte. Beide umarmten sich am Europasteg, ehe der Gast schrieb: „Den Menschen in der wunderschönen Stadt Laufen wünsche ich von Herzen, dass sie Botschafter bleiben für ein offenes und demokratisches Europa.“

Grüne Parlaments-Vizepräsidentin zu Gast in Laufen – Ihr Wunsch: „Stille Nacht“

Nur zwei Tage vor ihrem Besuch hatte sich Roth das Lied „Stille Nacht“ gewünscht, das am Heiligen Abend des Jahres 1818 in Oberndorf erstmals öffentlich erklang. Franz Eder engagierte kurzerhand die beiden versierten Stille-Nacht-Sänger Siegfried Steinkogler und den ehemaligen DSDS-Sieger Tobias Regner. Die sangen und spielten in der Oberndorfer Stille-Nacht-Kapelle drei Strophen der Originalfassung, ehe alle gemeinsam die erste Strophe sangen. Claudia Roth musste sich einige Tränen aus den Augen wischen. Sie, die mit zweitem Vornamen Benedikta heißt, ist vor langer Zeit aus der katholischen Kirche ausgetreten, „aber nur aus der Institution Kirche“, wie sie der Heimatzeitung verrät.

Auf den Weg nach Oberndorf informierte Franz Eder über den Oberndorfer Philosophen und Nationalökonomen Leopold Kohr, dem Träger des Alternativen Nobelpreises und Verfechter der kleinen Einheiten. Claudia Roth nutzte den sonnigen Nachmittag, um mit den zahlreichen Spaziergängern ins Gespräch zu kommen. Sie forderte schließlich alle auf, am 14. Oktober eine „demokratische Partei“ zu wählen, denn „das Wahlrecht ist das Grundnahrungsmittel der Demokratie.“ Die sieht Roth in einer „kritischen Phase“, und die „Klimakrise“ dabei als die „vielleicht größte Herausforderung.“

Als die Bundestags-Vizepräsidentin in Oberndorf bereits in ihren weißen 740er Hybrid-Dienstwagen eines bayerischen Herstellers gestiegen war, marschierten just zwei Beamte der Bundespolizei auf den Europasteg, stoppten an der Grenzmarkierung, blickten sich um und kehrten wieder zu ihrem Wagen zurück.

Gemeinsam über den Europasteg. Von links: Die beiden Landtagskandidaten Dr. Bernhard Zimmer und Albert Aschauer, Stadtrat Georg Linner, Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, Stadtrat Franz Eder.
Blättern im Goldenen Buch der Stadt. Von links: 2. Bürgermeisterin Brigitte Rudholzer, Landtagskandidat Dr. Bernhard Zimmer, Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, Stadtrat Franz Eder und Stiftsdekan Simon Eibl.
Tobias Regner (links) und Siegfried Steinkogler sangen und spielten die Originalfassung von „Stille Nacht“.
Sie lauschten andächtig. Von links: Dr. Bernhard Zimmer, Claudia Roth und Franz Eder. Fotos: Hannes Höfer