Vor allem die Diskussion um den Klimawandel hat das Fahrrad als alternatives Verkehrsmittel zunehmend in den Focus gerückt. Nicht nur das Freizeitradeln ist der Grund für den boomenden Umsatz im Fahrradhandel – immer mehr Verkehrsteilnehmer benutzen das Rad auch als Fortbewegungsmittel im Alltag, beispielsweise für die Fahrt zur Arbeitsstätte oder zum Einkauf. Was häufig noch fehlt, sind leistungsfähige Fahrradwege, die einen Umstieg vom Auto aufs Rad erleichtern würden. Im Rahmen des Mobilitätskonzeptes Berchtesgadener Land ist eine schnelle Fahrradverbindung zwischen Freilassing und Bad Reichenhall angedacht. Über Details informierten die Freilassinger Grünen im Rahmen einer Veranstaltung, zu der sie mit ihrem Landtagsabgeordneten Dr. Markus Büchler auch einen ausgewiesenen Fachmann eingeladen hatten.
Gerade noch rechtzeitig vor den einschneidenden Corona-Maßnahmen trafen sich die Grünen im Zollhäusl, um sich mit dem Thema „Radverkehr“ zu beschäftigen. Die für denselben Abend geplante Großveranstaltung zum Ausbau der Bahnstrecke München-Mühldorf-Freilassing musste hingegen kurzfristig abgesagt werden. Eingangs gab der Laufener Stadt- und Kreisrat Franz Eder in seiner Funktion als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Radverkehr in BGL einen Sachstandsbericht zu den Radweg-Planungen Freilassing-Bad Reichenhall ab. Demnach ist die schnelle Radwegverbindung zwischen den beiden Städten eines der Initialprojekte, welches der Landkreis im Rahmen seines Mobilitätskonzeptes 2018 auf den Weg gebracht hat. Ziel des Projekts sei es, die Attraktivität des Radverkehrs im Berchtesgadener Land zu steigern und so Anreize zum Umstieg vom Pkw auf das Fahrrad zu geben. Insbesondere für Berufspendler könne mit schnellen Radwegen ein attraktives Verkehrsangebot geschaffen werden, das gleichzeitig die Attraktivität der Region und der angebundenen Gemeinden als Wohn- und Arbeitsort erhöhe. Schnelle Radwege würden sich dadurch auszeichnen, dass dem Radfahrer höchste Priorität eingeräumt werde, beschrieb Eder das Konzept. Begrifflich müsse zwischen „Radschnellweg“ und „schnellem Radweg“ unterschieden werden. „Die Kriterien für einen von Bund und Land geförderten Radschnellweg lassen sich beim angedachten Projekt wohl nicht erfüllen“, bedauerte Eder. Gefordert sei hier unter anderem eine Mindestbreite von drei bis vier Metern auf einer durchgehenden Strecke von minimal zehn Kilometern. Zudem werde eine tägliche Frequenz von 2 000 Radfahrern zugrunde gelegt. Franz Eder führte weiter aus, dass der Landkreis eine Machbarkeitsstudie zur Errichtung eines schnellen Radweges von Freilassing nach Bad Reichenhall in Auftrag gegeben habe, und diese dem zuständigen Kreisausschuss im August vorgestellt worden sei. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass ein solcher Radweg auf einer durchgehenden Trasse grundsätzlich errichtet werden könne. In der folgenden Detailplanung werde es vor allem um die Trassenführung und die Finanzierung des Projekts gehen. Die Reichenhaller Stadträtin Pia Heberer gab zu bedenken, dass sich bei den geplanten Start- und Zielpunkten, den Bahnhöfen Freilassing und Bad Reichenhall, wegen der innerstädtischen Bedingungen ein Radschnellweg kaum realisieren lasse. Auch Freilassings 3. Bürgermeister Wolfgang Hartmann schloss sich dieser Meinung an und plädierte für einen schnellen Radweg. Er kritisierte zudem, dass die beteiligten Kommunen noch keinen Einblick in die bisherigen Planungen erhalten hätten.
„Ich finde es richtig und zielführend, dass der Landkreis ein so umfangreiches Mobilitätskonzept entwickelt hat“, lobte MdL Dr. Markus Büchler, Grünen-Fraktionssprecher für Mobilität. Radschnellwege wären seiner Meinung nach zwar sinnvoll, lassen sich aber mit den vorgegebenen Kriterien im verdichteten Innenraum kaum realisieren. Hier seien Flexibilität und Kreativität gefordert. Sein Vorschlag: „Einfach mal anfangen und schrittweise vorgehen und gegebenenfalls Kompromisse finden.“ Die Bereitschaft, auch im Alltagsverkehr auf das Fahrrad umzusteigen, sei bei vielen Menschen zunehmend vorhanden. Allerdings mangle es nach wie vor an der entsprechenden Infrastruktur. In Hinblick auf die Milliardensummen, die für den klimaschädlichen Straßen- und Flugverkehr ausgegeben werden, forderte Büchler ein Umsteuern: „Wir müssen mehr in klimafreundliche Verkehrsinfrastruktur, wie Bahn, ÖPNV und eben Fahrradwege investieren.“ Das Fahrrad als alltagstaugliches Verkehrsmittel sei keine „Spinnerei“, sondern eine ernsthafte Alternative, wie das Beispiel „Kopenhagen“ beweise. In einem Großraum mit 800 000 Einwohnern sei dort bereits jeder zweite Mensch mit dem Fahrrad zur Arbeit unterwegs. „Das machen die freiwillig, weil die entsprechende Infrastruktur bereitsteht und das Fahrrad das schnellste, praktischste und billigste Verkehrsmittel ist.“ In einer angeregten Diskussion wurden noch viele Aspekte zum Thema „Radverkehr“ erörtert.