Erstellt von Höhn Norbert/Ernstl | |   Freilassing

Grüne / Bürgerliste stellen »Bürgerhaushalte« vor

Wenn es ums Geld geht: Bürger reden mit!

Freilassing (nh).   Können Bürger bei der Aufstellung kommunaler Haushalte mitbestimmen? »Ja« meinte Sophia Rieck, die auf Einladung der Freilassinger Grünen / Bürgerliste das Thema »Bürgerhaushalte« vorstellte. In über hundert deutschen Städten und Gemeinden werden solche kommunalen Bürger-Beteiligungsmodelle bereits erfolgreich praktiziert.

Am Beispiel »Freilassing« erklärte Stadtrat Ernst Wohlschlager eingangs die Grundlagen kommunaler Haushaltsplanung. Der finanzielle Spielraum einer Kommune sei zu einem großen Teil schon vorgegeben und beispielsweise durch Wirtschaftskraft und Schuldenlast bestimmt. Auch Umlageverfahren, wie kommunaler Finanzausgleich, der sich in variablen Schlüsselzuweisungen niederschlage oder die Kreisumlage seien feste Größen bei der Haushaltsplanung. Aus den Einnahmen und Ausgaben von Verwaltungs- und Vermögenshaushalt ergebe sich, welche Investitionen möglich sind. Im Freilassinger Haushaltsplan für 2012 seien beispielsweise Ausgaben für die Sanierung des Rathauses, den Neubau einer Kinderkrippe, die Neuplanung eines städtischen Bauhofs oder den weiteren Ausbau des Breitbandnetzes vorgesehen. Insgesamt seien für Baumaßnahmen und sonstige Investitionen 4,13 Millionen Euro eingeplant.  „Wo, in welcher Form und mit welchen Prioritäten investiert wird, darüber entscheiden in der Regel Verwaltung und politische Gremien“, sagte Ernst Wohlschlager und sah hier den Ansatzpunkt für ein Mitspracherecht der Bürger.

Wie ein solcher „Bürgerhaushalt“ funktionieren könnte, erläuterte Sophia Rieck, Referentin im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung. „Mit einer Beteiligung von Bürgern an der kommunalen Haushaltsplanung greift man nicht nur auf deren Ideen und ihr Wissen zurück, man erreicht auch ein besseres Verständnis und damit größere Akzeptanz für politische Abläufe“, definierte Sophia Rieck den Grundgedanken von Bürgerhaushalten. Viele Kommunen in Deutschland praktizierten schon erfolgreich eine derartige Bürgerbeteiligung, darunter Großstädte wie Hamburg, Leipzig und Essen. Wichtig sei, dass Verwaltung und Politik uneingeschränkt hinter einem solchen Modell stünden. "Selbstverständlich bleibt die Entscheidung über den Gesamthaushalt bei den politischen Gremien“, verwarf die Referentin diesbezügliche Bedenken. Für die praktische Umsetzung von Bürgerhaushalten gäbe es keine starren Vorgaben. Die Projekte sollten auf die örtlichen Gegebenheiten abgestimmt und zusammen mit den Bürgern geplant werden.  Sophia Rieck: „Eine gute und fachlich fundierte Vorbereitung ist Grundlage für den Erfolg und die Akzeptanz von Bürgerhaushalten.“ Während der Umsetzungsphase müsse zudem ein ständiger Dialog zwischen Politik und Bürgern gewährleistet sein.

Zwischenzeitlich gäbe es schon viele erfolgreiche Modelle, an denen sich interessierte Kommunen orientieren könnten, zusammengefasst etwa auf der Internetplattform www.buergerhaushalt.org.  Überwiegend werde die Bürgerbeteiligung zwar über Online-Portale abgewickelt, aber auch schriftliche Eingaben und Anträge bei Bürgerversammlungen würden den Zweck erfüllen. An ausgewählten Beispielen zeigte die Referentin auf, dass den Gestaltungs-Möglichkeiten von Bürgerhaushalten keine Grenzen gesetzt sind. So wurde im Berliner Bezirk Lichtenberg online erfragt, wofür der frei verfügbare Teil des Jahresbudgets verwendet werden soll. Mittels Schiebereglern konnten die Bürger aus Vorschlägen, wie Kindergärten, Seniorenstätten, Umweltprojekten und vielem mehr eine Art „Bestenliste“ generieren.
Das Internetprojekt „Solingen spart“ hat dazu beigetragen, dass mit den Sparvorschlägen der Bürger eine drohende Insolvenz der Stadt abgewendet werden konnte. „Frankfurt fragt mich“, unter diesem Slogan durften die Bürger der Mainmetropole Vorschläge einreichen und bewerten „Wo würden Sie in Frankfurt sparen? Was würden sie fördern?“ lautete die Fragestellung.

„Der Bürgerhaushalt bietet die Chance eines neuen Dialogs zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern. Er stärkt das bürgerschaftliche Engagement und wirkt gegen die zunehmende Politikverdrossenheit“, fasste die Referentin zusammen.  Dem schloss sich auch Ernst Wohlschlager an: „Der Erfolg des Freilassinger Stadtentwicklungs-Projekts zeigt, wie wichtig es ist, die Bürger mit ins Boot zu nehmen.“ Elisabeth Hagenauer plädierte für eine externe Beratung und Begleitung bei der Abwicklung eines Bürgerhaushalts, „weil dann die Akzeptanz größer ist“. Die Chance, Politik-Kritikern und Nörglern den Wind aus den Segeln zu nehmen sah Ex-Stadtrat Wolfgang Fieweger: „Ihr habt ja die Möglichkeit mitzureden und mitzumachen!“

 

Die Referentin Sophia Rieck