Erstellt von Höfer | |   Freilassing

»Besser in Menschen investieren als in Beton«

Für Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper ist eine älter werdende Gesellschaft eine Herausforderung für Politik auf allen Ebenen. Einfach weitermachen wie bisher geht nicht, sagt Theresa Schopper. Für die Grünen-Landesvorsitzende ist der demografische Wandel die Herausforderung der Zukunft. Denn der habe Auswirkungen auf fast alle Lebensbereiche. Bundes- und Landespolitik müssten rechtzeitig auf diese Entwicklung reagieren. Aber auch die Kommunen das Ihre tun um Arbeitsplätze, Infrastruktur, Versorgung für Alt und Jung sicher zu stellen. Schopper war auf Einladung des Grünen-Keisverbandes nach Freilassing gekommen.

 

Bayern werde sich verändern, ist Schopper überzeugt. Einerseits boomende Metropolen, anderseits Randregionen, die veröden. Das Berchtesgadener Land und Freilassing gehören weder zu den Einen noch zu den Andern. Prognostiziert wird hier bis 2030 eine etwa gleichbleibende Bevölkerungszahl. Nur: die wird älter. „Also müssen auch wir hier in Freilassing uns darauf einstellen“, betonte Grünen-Stadtrat Ernst Wohlschlager. Für ihn stellt der aktuell diskutierte Stadtentwicklungsplan ein Instrument dar, auf veränderte  Bedürfnisse zu reagieren.

„Die sozialen Sicherungssysteme machen uns Probleme“, sagte Schopper. Die Rente sei so nicht mehr finanzierbar und der Pflegeversicherungs-Topf schmelze wie Butter in der Sonne. „Wir können ehrlicherweise die Rente mit 67 nicht in Frage stellen“, gestand sie. Die „erfreuliche Botschaft“ aber sei, dass man ältere Menschen wieder brauche, sie nicht überflüssig seien. „Die Aktion Silberlocke ist inzwischen auch in den Arbeitsämtern angekommen“.

„Polizisten könnten auch mit Rollator auf Streife gehen“, schlug Wolfgang Fieweger vor, „denn die Einbrecher werden ja auch älter“.
Grünen-Stadtrat Ernst Wohlschlager ist Polizist.

Dennoch: Altersarmut ist besonders bei Frauen stark verbreitet und sie werde zunehmen. Schopper und die Grünen wünschen sich eine Bürgerversicherung als breite solidarische Basis. Anders als bisher, wo Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Lasten zu tragen haben. „Die deutsche Einheit wurde praktisch über die Sozialkassen finanziert“, erinnerte sie, „das war ein Geburtsfehler“. Hier wurden Menschen zu Rentenempfängern, die nie etwas eingezahlt hatten. Ohne diese Belastung wären die Sozialabgaben um zehn Punkte geringer, rechnete sie vor, 32 anstatt der momentanen 42 Prozent.

„Wir haben weniger junge Menschen und damit fehlen Fachkräfte“. Schopper sieht darin aber auch Chancen: „Wir können es uns nicht mehr leisten, Jugendliche am Wegrand liegen zu lassen.“ Sie plädiert für individuellere Förderung. Und: „Wir müssen neue Strukturen denken; es müssen andere Schul-Wege möglich werden.“ Ernst Wohlschlager blickt dabei anerkennend über die Grenze: „In Salzburg ist das Schulsystem weniger starr“. Theresa Schopper fordert „Die Schule muss im Dorf bleiben“. Denn nur dorthin zögen Familien, wo es Kindergärten und Schulen gebe. Dasselbe gelte für Ärzte. Auch sie erwarten eine entsprechende Infrastruktur. „Hier ist die Versorgung auf einem hohen Niveau“, attestierte Schopper der hiesigen Region. Das sei vielerorts nicht mehr so.

Andererseits werde gerade im Gesundheitswesen zu viel Geld ausgegeben. Allein in München gebe es ebenso viele Computertomographen wie in ganz Italien; ähnlich verhalte es sich mit Herzklappenmessplätzen.

Stadtteile und Dörfer gerieten in eine Abwärtsspirale, wenn grundlegende Dinge fehlten. Dafür gebe es Beispiele aus den neuen Bundesländern, aber auch aus Oberfranken. Aus dieser Sicht habe man den Kommunen einen „Bärendienst“ erwiesen, als man die zulässige Einzelhandels-Verkaufsfläche von 800 auf 1.200 Quadratmeter erhöht habe. „Das fördert die Märkte auf der grünen Wiese“. Wichtig dagegen sei die Nahversorgung und eine entsprechende Innenstadt-Planung. „Man muss sich selber bei der Nase nehmen“, appellierte Schopper, „wer in jungen Jahren irgendwo hinfährt zum Einkaufen, braucht sich nicht wundern, wenn er im Alter kein Geschäft mehr vor der Haustüre findet.“

Der Bund könne mit dem Mittel der Städtebauförderung steuernd eingreifen, meint die Grünen-Vorsitzende. Ebenso mit dem Landesentwicklungsplan. „Nur der ist derzeit eher ein Märchenbuch“. Der viel kritisierte Bericht des Zukunftsrates stellt für Schopper dagegen eine gute Diskussions-Grundlage dar. Er zeige auf, an welchen Stellschrauben zu drehen sei.

Kreisvorsitzender Franz Eder hatte für seine Heimatstadt Laufen recherchiert. Der Demographie-Bericht weist hier auf „dramatische Veränderungen“ der Altersstruktur hin. „Das wird eine wichtige Aufgabe für jede Gemeinde“, so Eder. Das sieht Schopper ebenso. „Man muss vor Ort Lösungen maßschneidern“. Auch in Freilassing. „Dabei soll uns der Stadtentwicklungsplan helfen“, wünscht sich Ernst Wohlschlager. 

„Wir können nicht einfach weitermachen wie bisher“, sagt die Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper.
Boom-Regionen einerseits, Abwanderung andererseits. Die Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper mit Bayernplan. (Foto:Höfer)