Erstellt von Hannes Höfer | |   Berchtesgadener Tal

Der Wahnsinn hat Methode

Grüner Landratskandidat plädiert für eine andere Wirtschaftspolitik im Kreis – Gemeinden sollen Rückgrat zeigen

Das Berchtesgadener Land trägt die „rote Laterne“

Der Landkreis ist der wirtschaftsschwächste in ganz Oberbayern, selbst im bayernweiten Vergleich steigt er nur wenige Plätze höher. Daran habe sich auch unter der Ägide von Landrat Georg Grabner nichts geändert, resümierte Dr. Bartl Wimmer.

Laufens Grüne hatten den Fraktionssprecher im Kreistag und Landratskandidaten ins Gasthaus Greimel eingeladen, ums seine Sicht auf Versäumnisse, aber auch auf Potentiale und Möglichkeiten zu erfahren. Wimmer ist überzeugt: Man könnte vieles besser machen. „Ein Landrat hat durchaus viel zu entscheiden und er hat eine starke Position gegenüber den Gemeinden“, weiß Wimmer, „als Gemeinde sollte man es sich nicht mit ihm verscherzen“.

Beim Amtsinhaber jedoch vermisst Wimmer eine Strategie. Ein besonderer Dorn im Auge Wimmers sind die zahlreichen Ausweisungen „auf der grünen Wiese“. Mit enormem Flächenverbrauch werde den Innenstädten Konkurrenz gemacht. Die große Gefahr dabei: „Wenn der Lehrstand dort eine gewisse Schwelle überschreitet, wandern die Leute ab und die Ortskerne veröden“. Globus, Aventura, Factory-Outlet-Center, all das sei „kontraproduktiv“. Und ein Einzelhandelszentrum bei Mayerhofen gehe in die selbe, nämlich falsche, Richtung. „Der Wahnsinn hat Methode“, meint der Kandidat und belegt das mit Beispielen aus dem Landkreis, wo nach Neuansiedlungen bestehende Geschäfte schließen mussten. Ortsansässiges Gewerbe und heimische Fachfirmen hätten bei den vom Einzelhandel bezahlten Grundstückspreisen keine Chance. „Dafür steht einerseits die Kommune in der Verantwortung, aber der Landrat sorgt für die entsprechende Weichenstellung. Und er genehmigt solche Projekte.“ Projekte die die Ortskerne zerstörten. „Wir brauchen eine neue Linie im Landratsamt“, sagte Wimmer, „ein neues Wirtschaftsleitbild, das die Innenstädte stärkt, das Aufenthaltsqualität schafft für Bürger, für Familien und Touristen.“

Anstatt auf kurzfristige Gewinne sollte man auf eine nachhaltige Entwicklung setzen. Und dabei heimisches Gewerbe und qualifizierte Arbeitsplätze fördern. „Feinmechanik, Werkzeugbau ist bei uns durchaus beachtlich präsent“. Für viele Firmen sei heute schnelles Internet wichtiger als schnelle Straßen, ist Wimmer sicher.

Kommunen müssten aktiver werden, Boden und Grund nicht Spekulanten und Einzelunternehmern überlassen. „Rückgrat zeigen bei wichtigen Fragen“, appelliert Wimmer an Stadt- und Gemeinderäte, „man hat mehr Möglichkeiten als man oft glaubt.“ Ein Beispiel: Seine Heimatgemeinde Berchtesgaden habe sich nicht vom bayerischen Finanzminister erpressen lassen, der nämlich wollte dem Haus der Berge nur das halbe Grundstück zugestehen, die andere Hälfte sollte an den Handelsriesen Liedl gehen. „In diesem Fall verzichten wir auf das Haus der Berge“, hatte der Marktgemeinderat erwidert und die Kraftprobe schließlich gewonnen.

Das Tourismuskonzept ist aus Sicht Wimmers „grandios gescheitert“, dem Gesamtlandkreis mit der Berchtesgadener Land Tourismus GmbH (BGLT) ein einheitliches Konzept überzustülpen, sei ein Fehler gewesen. Der Süden habe profitiert, Reichenhall sei dadurch gehindert worden, einen eigenen Markenkern zu entwickeln. Teisendorf und Laufen passten eher zur Region Waginger See. „Nach der sechsten Olympia-Bewerbung hat wohl auch der Letzte eingesehen, dass wir damit keinen Blumentopf gewinnen“, hofft der Grünen-Kandidat, der seit 30 Jahren in der Kommunalpolitik tätig ist und etwa genau so lange zu den führende Köpfen der Olympiagegner zählt. Die Bobbahn am Königssee koste dem Landkreis im Schnitt der letzten 20 Jahre deutlich über eine Million Euro jährlich. „Es stimmt übrigens nicht, dass Tourismusorte generell hoch verschuldet sind“, korrigierte Wimmer eine weitverbreitete Ansicht, „nein, es sind jene, die glauben mit kommunalen Finanzen den Spitzensport fördern zu müssen.“ Die Kreiskliniken sieht Bartl Wimmer, wenn auch spät, auf dem richtigen Weg. Allerdings plädiert er für mehr „Fachleute“ und weniger Politik im Aufsichtsrat. Der Landratskandidat stellt den beiden Laufener Mitgliedern der siebenköpfigen Grünen-Fraktion ein gutes Zeugnis aus. Insgesamt hofft er, der CSU im Kreisausschuss einen Sitz abnehmen zu können, denn bislang sitzt dort Winfried Köpnick allein für die Grünen und als einziger Laufener. Dort aber fielen wichtige Entscheidung, und dort verfüge die CSU über die absolute Mehrheit, obschon sie die im insgesamt 60-köpfigen Kreistag nicht habe. Dieses mal finden sich sechs Laufener auf der Grünen-Kreistagsliste.

„Wir haben selbstbewusst und gut gearbeitet“, ist auch der zweite Laufener Grünen-Kreisrat, Franz Eder, überzeugt. Der 2. Bürgermeister seiner Heimatstadt wünscht sich eine getrennte Erfassung von Biomüll im Kreis. „Zu teuer und zu wenig getrennt“, lautet sein Urteil zur Müllpolitik.

Grünen-Kreisvorsitzender Dr. Bernhard Zimmer sieht in Biomüll und Grüngut Potential zur Energieerzeugung. Pidings 3. Bürgermeister würde den Fokus ebenso stärker auf die Windkraft richten, anstatt nur auf das Wasser der Salzach zu schielen. Die Rechte daran hätten ohnedies nicht mehr die Grenzkraftwerke, sondern der Verbund (Österreich), was bedeutet, dass eine mögliche Energieausbeute nicht dem Landkreis und dessen Ziel der hundertprozentigen Eigenversorgung zugerechnet werden könne.

Franz Eder blickte zum Ende des Abends nochmal auf Olympia und dessen Vorgeschichte zurück, worin die Grünen beantragt hatten, der Kreis möge die Bürger vor dem Olympia-Entscheid nicht nur über die Pro-Argumente einer Bewerbung informieren., sondern ebenso über Gründe, die dagegen sprächen. „CSU, Freie Wähler und die SPD haben das abgelehnt“, schüttelt Eder noch heute den Kopf, „das war der demokratische Tiefpunkt dieser Wahlperiode.“ 

Mit viel Applaus und einem Geschenk mit Waren aus dem Weltladen gewürdigt: Die ausgeschiedenen Stadträte Georg Linner und Herbert Fial. Ganz links im Bild: Ortsvorsitzende Gerti Thoma, ganz rechts Stadtrat Franz Eder