Erstellt von Karin Kleinert | |   Kreisverband

Unsere Ziele sind eins

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Dr. Manuela Rottmann spricht in Teisendorf über zukunftsfähige Landwirtschaft

 

Ein heißer, trockener Sommer und damit schwierige Zeiten für die Landwirtschaft, für die Wasserversorger, für den Wald, für die Weidetiere, die Liste ließe sich fortsetzen. Um trotzdem eine zukunftsfähige Landwirtschaft entwickeln zu können, braucht es die Politik für die Rahmenbedingungen. Was sich diesbezüglich auf Landes- und Bundesebene tut, darüber informierten die zwei Grünen Politikerinnen MdL Gisela Sengl, die agrarpolitische Sprecherin der bayerischen Landtagsfraktion, und  MdB Dr. Manuela Rottmann, die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium im gut gefüllten Saal der Alten Post in Teisendorf.

 

Nach ihrem Vortrag stellte sich die Unterfränkin, sie ist quasi die bayerische Stimme an der Spitze des Landwirtschaftsministeriums, fast zwei Stunden lang den nicht enden wollenden Fragen und Diskussionsbeiträgen. Ihr Fazit: „Wir können uns über den Weg streiten, aber die Ziele sind eins.“ Und: „Wir sollten uns nicht auseinander dividieren lassen“.

 

Zu der Abendveranstaltung im Braugasthof, die unter dem Motto „Bericht aus Berlin - Grüne Politik für die Landwirtschaft“ stand, hatten die Grünen Kreisverbände Berchtesgadener Land und Traunstein eingeladen. Magdalena Wimmer und Regina Reiter begrüßten die zahlreich erschienenen Gäste aus Landwirtschaft und Kommunalpolitik, dazu Vertreter von Verbänden und Institutionen. Das große Interesse freue sie und bestätige, wie wichtig es sei, sich auf allen Ebenen zu vernetzen, so die KV-Sprecherinnen.

 

Gisela Sengl ist überzeugt: „Wir kommen unseren grünen Zielen näher“. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende bezog Stellung zu Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität, den Hauptthemen der Grünen in Bayern. Sengl sagte, dass die Vielfalt im Anbau uns die Ernährung sichere und so auch kleinere Familienbetriebe, die gut und innovativ wirtschafteten, leben könnten. Um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, die einen maßgeblichen Beitrag für den Klimaschutz leistet, sei jeder Bereich der Gesellschaft gefragt, auch die Landwirtschaft. Diese könne durch Weidehaltung sehr viel zu einem guten  Boden beitragen. Um den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, müssten konventionelle und ökologische Betriebe zusammen arbeiten, voneinander lernen und für ihre Anstrengungen entsprechend entlohnt werden.

 

Manuela Rottmann würdigte die beiden Landkreise, die sie während mehrerer Termine habe kennenlernen dürfen. Es sei ein „Bilderbuchtag“ gewesen. „Nach allem, was ich gesehen habe, muss ich sagen: Sie leben in einer gesegneten Region“. Während es bei ihr zu Hause brenne, sei sie am Nachmittag hier in einem Wald gewesen, wo es noch nach Feuchtigkeit riecht. „Vor fünf Jahren hätten wir uns in Unterfranken nicht vorstellen können, welche Kettenreaktionen es geben wird und wie schnell sich die Anbaubedingungen für die Landwirtschaft so dramatisch verändern können. Ich wünsche der Region, dass sie es nicht so hart trifft“.

 

Die Bundestagsabgeordnete ist Juristin und als Parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium für Minister Cem Özdemir tätig. In ihrem Vortrag skizzierte sie die grobe Linie des Bundes. Sie sagte, dass es nicht möglich sei, die ganzen Krisen einzeln zu betrachten und nacheinander abzuarbeiten. Das funktioniere nicht: „Wir müssen alle Krisen gleichzeitig behandeln“. Das Hofsterben sei in vielen Gegenden Deutschlands dramatisch. Im Südosten des Landes gebe es noch viele kleine, familiengeführte Landwirtschaften. „Vermutlich sind die resilienter“, so Rottmann.

 

Als Hauptgrund für die Krisen seien die vielen, großen Abhängigkeiten der globalen Landwirtschaft anzusehen, die in puncto Energie, Betriebsmittel oder dem Zugang zu Kapital entstanden sind. Außerdem müssten die Fördermaßnahmen degressiver werden. Die Konzentration auf wenige Großbetriebe sei laut Rottmann ein Fehler. Der Grüne Landwirtschaftsminister werde das System so umbauen, dass kleine Betriebe nicht auf der Strecke bleiben.

 

Was den ländlichen Raum mit Sicherheit verändern werde, sei die Energiewende. Dies sei klar, weil dadurch landwirtschaftliche Flächen unter Druck gesetzt würden. Die Energiewende berge aber auch Chancen, wenn die Menschen selbst entscheiden und  investieren können. Wichtig ist, dass die Wertschöpfung auf dem Land bleibt, betonte die Parlamentarische Staatssekretärin. Biogas habe in puncto spitzenlastfähige Energieerzeugung eine Zukunft. „Da haben wir Robert Habeck überzeugt“, so Rottmann. Als weiteren sehr kontrovers diskutierten Punkt sprach sie die Artenschutzflächen an. Manuela Rottmann hält sie für unabdingbar, die 4-Prozent-Regelung wird derzeit intensiv diskutiert und soll noch in diesem Monat verabschiedet werden. Es brauche ihrer Meinung nach eine langfristig ökologisch sinnvolle Regelung, denn stabile Brachen sind für den Artenschutz essentiell, und klar ist, dass diese der Staat fördern müsse.

 

Nachdem Manuela Rottmann ihren Vortrag beendet hatte, hatten sich bereits viele Fragesteller per Handzeichen gemeldet. Um die Diskussion sachlich, diszipliniert und fair zu halten, übernahm Dr. Bernhard Zimmer vom Kreisverband Berchtesgadener Land die Moderation. Jeder, der etwas sagen wollte, musste nach vorne kommen und seinen Namen sagen, bevor er oder sie loslegen konnte. Oftmals gingen der konkreten Frage langatmige Statements voraus, dann mahnte der Moderator höflich aber bestimmt, man möge doch bitte auf den Punkt kommen.

 

Ein Anliegen brachten Albert und Elisabeth Aschauer aus Teisendorf vor. Als Kreisvorsitzende des BDM (Bund Deutscher Milchviehalter) kämpfen sie seit vielen Jahren für einen fairen, die Kosten deckenden Milchpreis. Lisi Aschauer forderte: „Wir brauchen ein anderes System, um die Familienbetriebe erhalten zu können“. Manuela Rottmann sagte, dass sie den BDM schätze, weil er sich mit Macht- und Marktpraktiken auseinandersetze. Aber es werde schwer werden, sich gegen die großen Supermarktketten durchzusetzen. Billige Lebensmittel würden in vielfältiger Weise zu Armut führen, sei es bei den Erzeugern, bei der Biodiversität und anderen Aspekten mehr. Es gehe hier auch um Kartellrecht: es brauche eigentlich ein „Erzeuger-Kartell“ gegen das „Markt-Kartell“, aber das sei nicht durch- beziehungsweise umzusetzen, so Rottmann, die als Juristin auf Kartellrecht spezialisiert ist. Es könne jedoch nicht so weitergehen, dass Betriebe mit öffentlichen Fördergeldern gegen die Macht der Kartelle über Wasser gehalten werden. Letztlich würden so nur die vier Großen in der Lebensmittelbranche profitieren, hier müssen endlich andere Lösungen gefunden werden.

 

Einige Teilnehmer stellten die Frage nach der Ernährungssicherheit in Deutschland, ob man mit den in Deutschland erzeugten Lebensmitteln überleben könnte und wie es mit dem Fleischkonsum aussehe. Rottman sagte, dass es ein Vorteil sei, weil wir in Deutschland von einem sehr hohen Niveau ausgehen. Wir sollten weniger wegwerfen, die Lebensmittel besser verwerten und weniger Fleisch essen, dafür von Tieren, die besser gehalten werden. „Es wird nicht gehen, dass wir so weiter konsumieren wie bisher“, stellte Rottmann unmissverständlich klar.

 

Andreas Kerschl aus Palling, ein Landwirt der nächsten Generation, wie er sich selbst bezeichnete, möchte auf Bio umstellen, hat aber Bedenken, ob er seine Erzeugnisse verkaufen kann. Manuela Rottmann erklärte, dass viel auf der Nachfrageseite passieren müsse. Hier muss die öffentliche Hand endlich konsequent handeln. Es seien die öffentlichen Einrichtungen mit ihren Kantinen gefragt, diese müssten ihren Bioanteil drastisch erhöhen und zum Vorbild werden. Behörden, Krankenhäuser, Kindertageseinrichtungen, Schulen in staatlicher oder kommunaler Trägerschaft hätten ein riesiges Nachfragepotenzial.

 

Landwirt Hans Gruber, der neue Obmann vom BBV-Kreisverband Berchtesgadener Land, findet den Ansatz, dass sich Landwirte diversifizieren sollen, gut. Das Problem seien die Flächen, die den Bauern von Kapitalgebern weggekauft würden.  Alfons Leitenbacher, der Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Traunstein (AELF), wollte wissen, wie und wann der Umbau der Nutztierhaltung finanziert und umgesetzt wird. Vor allem hinsichtlich der Schweinehaltung „muss mehr Geld rein“. Manuela Rottmann gab Leitenbacher recht, allerdings würde hier die FDP blockieren. Die Argumentation der Grünen in Richtung Koalitionspartner sei: „Wenn wir das nicht unterstützen, haben wir in Deutschland bald keine Tierhaltung mehr“.

 

Marlene Berger-Stöckl, die Projektmanagerin der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel, kam als eine der letzten Teilnehmerinnen zu Wort. Sie hat Sorge, dass das Thema Grünland beim neuen Landwirtschaftsminister unter den Tisch fällt und plädierte für eine sinnvolle Nutzung über Wiederkäuer, was auch bedeute deren Fleisch zu essen. Einen  Beitrag zum Schutz von Klima und Wasser leiste artenreiches Grünland allemal. Manuela Rottmann  konnte dies bestätigen und betonte, dass das Grünland erhalten bleiben muss. Den Aufkauf durch Investoren gelte es einzudämmen. 

 

Nachdem der Abend schon weit fortgeschritten war, schloss Bernhard Zimmer die Diskussionsrunde, die an den  Tischen noch angeregt weitergeführt wurde.

Berichteten über Grüne Landwirtschaftspolitik auf Bundes- und Landesebene: Dr. Manuela Rottmann (Mitte), Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, und Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion (rechts). Dr. Bernhard Zimmer vom Grünen Kreisverbände BGL moderierte die Diskussion im voll besetzten Teisendorfer Braugasthof Alte Post.