Erstellt von Karin Kleinert | |   Kreisverband

„Reden, reden, reden, wir haben keine andere Chance“

Neujahrsempfang in Freilassing - Kabarettist Christian Springer sprach über Demokratie und Toleranz

 

Beim Neujahrsempfang der Grünen Berchtesgadener Land war der Veranstaltungssaal der Lokwelt bis auf den letzten Platz gefüllt. Das war keine große Überraschung, denn neben Ulrike Schweiger, Bundestagskandidatin im Wahlkreis Traunstein-Berchtesgadener Land, hatte auch Christian Springer zugesagt. Der bekannte Kabarettist und Buchautor sprach über Demokratie und Toleranz. Die Zuhörer waren begeistert von dem gelungenen Mix aus Kabarett mit Tiefgang, bissiger Satire und biographischen Anekdoten, der Anderthalbstunden dauerte und damit fast doppelt so lang wurde wie angekündigt.

 

Wolfgang Ehrenlechner begrüßte die etwa 80 geladenen Gäste in der Lokwelt-Galerie zur dritten Auflage dieses Veranstaltungsformats. Er freue sich sehr über die gute Resonanz, sagte der Kreisvorsitzende, und dass nicht nur Mitglieder aus den Ortsverbänden des Berchtesgadener Landes und des Landkreises Traunstein gekommen seien, sondern auch Vertreter aus etlichen Verbänden und Organisationen, darunter Caritas, Diakonie, VDK,  Bauernverband, BDM (Bund Deutscher Milchbauern) und Ökomodellregion Waginger See - Rupertiwinkel. Bei all den Kriegen und Krisen weltweit spare er sich den Satz „Dieses Jahr wird alles besser“. Er hoffe, so Ehrenlechner, die Grünen können nach der Wahl in der neuen Regierung die Geschicke im Land wieder mitbestimmen und gut weiter entwickeln.

 

Eine, die mitanpacken will, ist Ulrike Schweiger, stellte der Kreisvorsitzende die Direktkandidatin vor. Die Freilassingerin berichtete von den ersten Wahlkampfveranstaltungen, von Podiumsdiskussionen und den vielen Fragen, warum sie sich die Kandidatur und den Wahlkampf überhaupt antue. Ihre Antwort: Gerade in Zeiten wie diesen sei es wichtig, sich dafür zu engagieren, dass Politik als gestaltendes und verbindendes Element verstanden werde. Nur wenn man miteinander an Lösungen arbeite, seien die Krisen zu bewältigen. „Politik soll nicht spalten, sondern die Risse kitten“, laute ihr Credo. Bevor Ulrike Schweiger das Podium Christian Springer überließ, erzählte sie, wie unkompliziert es gewesen sei, den Kabarettisten nach Freilassing zu holen. Nach zwei Telefonaten sei die „Sache geritzt“ gewesen.  

 

Wie klein die Welt ist, zeigte sich, als Christian Springer sich vorstellte. Er sei ein Münchner, wobei nein, witzelte er, er komme aus Berg am Laim. Mit der Gegend hier habe er nicht viel zu tun, außer dass er öfters mal in Salzburg sei. Wobei, so der Kabarettist, eigentlich habe er an Freilassing beste Erinnerungen. Wieso das? Er sei Anfang der 1980er Jahre hier mit der Kabarettgruppe „Fernrohr“ aufgetreten, Helmut Schleich habe auch dazu gehört. Den Namen des kleinen Theaters wisse er jedoch nicht mehr. Einige aus dem Publikum konnten sich erinnern und riefen ihm den Namen zu: „Aumühltheater“! Ja genau, so hieß es, bestätigte er.     

 

Schon als Kinder hätten er und seine Freunde die Obrigkeit aufs Korn genommen. Seit er 17 Jahre ist, so Christian Springer, mache er Kabarett. Also seit Jahrzehnten. Vor kurzem habe er nämlich einen schrecklich runden Geburtstag gefeiert, gab er, Jahrgang 1964, mit einem Augenzwinkern zu. Er sei bei keiner Partei Mitglied, an Veranstaltungen von SPD und Grünen nehme er jedoch gerne teil. Trotzdem könne man ihn in keine bestimmte Farbe eintüten. „Du weißt nicht, ob ich Dich wähle“, scherzte er in Richtung Uli Schweiger. „Trotzdem habt ihr mich eingeladen, denn ihr seid eine weltoffene Partei, keine Verbotspartei. Ihr steht für Vielfalt und vieles mehr.“

 

Als Kabarettist dürfe man sich keinen Maulkorb verpassen lassen, sondern müsse die Missstände aufdecken. Er wolle nun „in medias res“ gehen, so Christian Springer, der daraufhin los legte. Die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ bekam ihr Fett genauso ab wie die „Schweigende Mehrheit“ und die „Nazis“, die mit im Bayerischen Landtag säßen und eine Schande für diesen seien.

 

Aber, fuhr Springer fort, ich soll ja etwas Lustiges, etwas Gescheites erzählen. „Nicht einfach in diesen Zeiten“, befand er. Staaten seien wegen Gier zugrunde gegangen. Noch nie sei ein Staat zugrunde gegangen, weil er sich um sozial Schwache und Flüchtlinge gekümmert habe. „Die AfD gehört verboten, sie darf keine öffentlichen Gelder mehr erhalten“ bezog der Kabarettist klar Stellung.

 

Der Schutz der Demokratie müsse immer im Mittelpunkt stehen, verwies er auf sein neues Buch „Bayerischer Mob – wie die Gewalt in die Politik einzog“, aus dem er einige Passagen vorlas. Darin habe er Fälle gesammelt, in denen Politiker und Politikerinnen angegriffen, beleidigt und verletzt wurden. Für ihn seien diese Vorkommnisse ein Angriff auf die Demokratie. Wer wie Markus Söder den Geschädigten „Mimosenhaftigkeit“ vorwerfe, reagiere absolut unangemessen. „Der Staat muss seine Bürger und seine demokratischen Parteien schützen“. Auch für diese Botschaft gab es starken Zwischenapplaus.

 

Er wolle nicht verschweigen, dass auch Linksextremisten Straftaten begehen, aber dies stehe in keiner Relation zu der Menge der rechtsextrem motivierten Übergriffe. Zur Gewaltbereitschaft gehörten die körperlichen Angriffe auf Polizisten, Feuerwehr und Sanitäter sowie auf Ehrenamtliche ebenfalls dazu, das schockiere ihn. „Ohne Ehrenamtler würde unser Land nämlich zusammenbrechen“. Daher müssten wir alle, wir als Gesellschaft, ran, um Frieden, Vielfalt und Toleranz zu bewahren und um wieder eine Vernünftigkeit herzustellen, betonte Christian Springer.

 

Immer wieder machte der Kabarettist Exkurse zu den unterschiedlichsten Themen, die viel über seine Einstellung aussagen. Zum Beispiel über den neuen US-Präsidenten und über meinungsmachende Milliardäre. Eine Anekdote drehte sich um den Schriftsteller Oskar Maria Graf: 1958 aus dem New Yorker Exil für einen Kurzbesuch nach München zurückgekehrt, ließ sich dieser nicht davon abbringen, bei einer Gala seine geliebte Lederhose zu tragen und damit für einen Eklat zu sorgen. Eine solche Geradlinigkeit beeindrucke ihn sehr, sagte der Kabarettist.  

 

Zum Schluss forderte Christian Springer alle auf, gegen Rechtsextremisten, die seiner Meinung nach zuerst ausgrenzten  bevor sie gewalttätig würden, den Mund aufzumachen. „Reden, reden, reden, wir haben keine andere Chance“, sagte er aus vollster Überzeugung.

 

Nach dem Vortrag war der Abend noch lange nicht zu Ende. Springer signierte sein neues Buch, das reißenden Absatz fand, und bei einem kleinen Imbiss und Getränken wurde ausgiebig und sehr angeregt diskutiert.

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