|   Laufen

Mehr Regen und mehr Trockenheit?

 

Bringt der Klimawandel die paradoxe Situation mit sich, dass
gleichzeitig Starkregenereignisse und Trockenheitsphasen zunehmen? So
lauten jedenfalls die Prognosen der Experten, erläuterte der
Grünen-Landwirtschaftsexperten Georg Linner aus Laufen auf der letzten
Kreisversammlung des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen zum Thema
Klimawandel und dessen Auswirkungen auf Land- und Forstwirtschaft. Mit
wahrscheinlich weitreichenden Auswirkungen auf die örtliche
Landwirtschaft, wie der Sprecher des Landesarbeitskreises Landwirtschaft
der Grünen weiter ausführte. Gerade das Berchtesgadener Land mit seinem
hohen Grünlandanteil sei auf übers Jahr relativ ausgeglichen verteilte
Niederschlagsmengen angewiesen. Wenn sich diese Niederschlagsverteilung
durch den Klimawandel ändere, würden sich die Produktionsbedingungen für
die Milchviehhaltung dramatisch verändern. Bislang prägten ein nasser
Juni und ein nasser Juli das Klima im Berchtesgadener Land, gefolgt von
einer trockenen Periode in August und September. Eine Veränderung dieser
Klimabedingungen mit großer Trockenheit in der ersten Wachstumsphase,
vermischt mit punktuellen Starkregenereignissen, werde zu großen
Ertragseinbußen gerade im Berchtesgadener Land führen. Auch die
zunehmende Unberechenbarkeit des Wetters werde die Bauern vor Probleme
stellen. Eine mögliche Reaktion auf eine solche Entwicklung wäre die
Umstellung von Grünland auf Ackerbau. Dies ist aber aus Sicht Linners
aus touristischer Sicht nicht wünschenswert. Die Urlaubsgäste kämen in
das Berchtesgadener Land wegen der von Wald und saftigen Wiesen
geprägten Landschaft. Ein Umackern von Grünland in Maiäcker wäre für
diesen Bereich sicher nicht förderlich. Das gelte auch für andere
Umstellungsmöglichkeiten wie Obstbau und Gemüseanbau. Hinzu komme, dass
letzteres natürlich unter den Bedingungen der Klimaveränderung nur mit
künstlicher Bewässerung funktionieren werde. Auch eine solche Umstellung
würde eine grundlegende Veränderung unserer Kulturlandschaft bedeuten,
ebenso hätte es Auswirkungen auf das nachgelagerte Gewerbe. Angesichts
dieser Prognosen, so Linner, müsse alles darangesetzt werden, den
Temperaturanstieg durch den Klimawandel so weit als möglich zu
begrenzen. Auch die Landwirtschaft selber könne einen Beitrag zur
Begrenzung des Klimawandels leisten, zum Beispiel durch einen Umstieg
auf ökologischen Landbau. Diese Bewirtschaftungsform benötige viel
weniger Fremdenergie wie der konventionelle Landbau. Aber auch
nachhaltige Formen der Energiegewinnung kämen in Frage. Der
Diplom-Forstwirt Dr. Wolf Guglhör beleuchtete die möglichen Auswirkungen
des Klimawandels auf die Forstwirtschaft. Im Wald werde sich der
Klimawandel durch weniger Schneefall im Winter und häufigere
Starkregenereignisse ebenfalls negativ auf die bestehende
Artenzusammensetzung auswirken. Insbesonders die Fichte sei für die
künftigen Klimabedingungen noch viel weniger angepasst als sie dies
schon heute in den tieferen Lagen des Landkreises sei. Als Flachwurzler
halte diese Baumart langanhaltende Trockenheit nicht aus. Außerdem
setzten dieser Baumart aggressive Schädlinge wie der Borkenkäfer und die
Fichtenblattwespe zu. Selbst wenn der Wald im Berchtesgadener Land nur
mehr eine geringe Rolle für das Einkommen der Waldbesitzer und die Zahl
der Arbeitsplätze spielen könne, sei er für Schutz und Erholung
unverzichtbar. Tourismus ohne Wald sei im Berchtesgadener nicht denkbar.
Deshalb müsse und könne der Wald trotz Klimawandel erhalten bleiben. Ein
unter heutigen Bedingungen stabiler und gesunder Mischwald sei weniger
anfällig als Fichtenmonokulturen und könne auch bei einer
Temperaturerhöhung bis etwa der Grad Celcius im Jahredurchschnitt
standhalten. Darüber müsse man mit flächigem Zusammenbruch der Wälder
rechnen, was die Bewohnbarkeit größerer Teile des Landkreises in Frage
stellen würde. Da eine Waldgeneration im Alpenvorland 100 Jahre und im
Gebirge 300 Jahre benötige, müsse man den Waldumbau zu ungleichaltrigen
Mischbeständen mit hohem Tannenanteil beschleunigen. Guglhör sieht durch
den Klimawandel auf die heimische Kommunalpolitik eine Reihe von
Herausforderungen zu kommen. Auf der einen Seite müsse durch angepasste
Wildbestände auf eine natürliche Verjüngung des Waldes auch mit Tanne,
Ahorn, Esche und so weiter ermöglicht werden. Dafür müsse endlich ein
Fütterungskonzept realisiert werden, das sich an wildbiologischen
Grundsätzen und nicht an der Erzeugung starker Geweihe und sonstiger
Trophäen orientiere. Das sei auch im Hinblick auf ein an die neuen
Gegebenheiten angepasstes Tourismuskonzept unverzichtbar. In der
Diskussion merkte Kreisrat Edwin Hertlein an, dass es gerade an dem
Klimawandel angepassten Tourismuskonzepten mangele. Wer angesichts der
zu erwartenden Klimaveränderungen beispielsweise noch Geld in
Beschneiungsanlagen und ähnliche Einrichtungen am Götschen stecken
wolle, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt. "Da kann man das Geld
auch gleich zum Fenster rauswerfen", echauffierte sich Hertlein und
erinnerte daran, dass die Bündnis-Grünen bereits seit mehr als zwei
Jahrzehnten auf die Klimaveränderungen hingewiesen, leider aber kein
Gehör gefunden hätten. Es sei nun zu hoffen, dass endlich den
Erkenntnissen Taten folgen würden und entsprechend in
Energiesparmaßnahmen und Erneuerbare Energien investiert werde. Zum
Schluß der Versammlung sprach Kreistagsfraktionsvorsitzender Dr. Bartl
Wimmer die laufende Klage der Marktgemeinde Berchtesgaden gegen das
geplante FOC in Piding an. Es sei ungeheuerlich, dass von Seiten des
Wirtschaftsministeriums ein Bezug zwischen der Klage und möglichen
Fördermitteln für das geplante Haus der Berge hergestellt worden sei.
Ein solches Vorgehen sei eines Rechtsstaates unwürdig.

„Die starke Phase der CSU ist vorbei“, sagt Sepp Daxenberger.
Grünen-Landesvorsitzender Sepp Daxenberger (rechts im Bild) verbrachte einen seiner ersten öffentlichen Termine nach seiner längeren Krankheit zusammen mit seinen Parteifreunden aus dem Kreisverband Berchtesgadener Land. Sein Auftritt auf der Kreisversammlung führte zu langanhaltendem Beifall.