Der Kreisverband der Grünen Berchtesgadener Land hatte zur Kreisversammlung ins Gasthaus Steinbrünning eingeladen. Es stand nur ein einziger, dafür aber sehr wichtiger Tagesordnungspunkt auf der Agenda, nämlich die Nachlese zur Landtags- und Bezirkstagswahl. An die vierzig Mitglieder aus dem Stimmkreis waren gekommen, um gemeinsam zu analysieren, was gut und was nicht gut gelaufen ist, und was bei der nächsten Wahl anders beziehungsweise besser gemacht werden kann. Und weil es bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, ob das Glas halb voll oder halb leer ist und es immer auf den Blickwinkel ankommt, wurden die Wahlergebnisse sehr angeregt und mit einer großen Bandbreite an Debattenbeiträgen diskutiert.
Kreissprecher Wolfgang Ehrenlechner gab einen Überblick über die Zahlen. Im Vergleich zu 2018 sei man deutlich abgerutscht. Freilich stimme es, dass die Grünen in Bayern ihr bislang zweitbestes Ergebnis eingefahren hätten. Aber man wollte zweitstärkste Kraft werden und dieses Ziel habe man nicht erreicht. „Da müssen wir ehrlich sein“, so Ehrenlechner. Bei den Kandidaten Dr. Bernhard Zimmer (Landtag) und Ulrike Schweiger (Bezirkstag) bedankte er sich für deren großes Engagement und bat sie um ihre Einschätzung.
Ulrike Schweiger sagte, man habe sich im Stimmkreis mehr erhofft, dem gesamtbayerischen Trend jedoch nicht „entkommen“ können. Obwohl die Gespräche an den Infoständen meist gut gewesen seien, habe man Wähler verloren. Auch sei es nicht möglich gewesen, einen inhaltlichen Wahlkampf zu führen. Bis zur nächsten Wahl, damit sprach sie die Europawahl am 9. Juni nächsten Jahres an, müsse man hart arbeiten. „Wir müssen uns sichtbar machen“. Außerdem gelte es, die Ängste der Leute und das, was sie umtreibt, ernst zu nehmen, betonte Schweiger, die auch Sprecherin des Ortsverbandes Freilassing ist.
Nach einem Bericht von der Landesdelegierten-Konferenz in Altötting übergab Schweiger das Wort an Bernhard Zimmer. „Ihr ward viel unterwegs“, bedankte er sich zuallererst bei den Helfern. Dass das Ergebnis nicht so wie gewünscht war, sei etwas anderes. Für ihn zähle, so der Pidinger Kreisrat, dass die Grünen im Landkreis einen soliden Sockel an Stammwählern haben, auf den sie aufbauen können. Das Motto „Team Bayern“ hätten Ulrike Schweiger und er gut rübergebracht, wie der Landtagskandidat, der das fünftbeste Zweitstimmenergebnis der Grünen in Oberbayern eingefahren hatte, sagte. Besser werden müsse man in den Sozialen Medien und beim digitalen Wahlkampf. Alles in allem war der Wahlkampf diesmal eine besondere Herausforderung, habe ihm aber trotzdem viel Freude gemacht. Was er als besorgniserregend empfinde sei, dass mehr als 80 Prozent der Bayern rechts von der Mitte gewählt haben. Daher müsse man bei den nächsten Wahlen einiges investieren und, motivierte Zimmer die Versammlungsteilnehmer, man könne freilich auch bei Gegenwind segeln, dann müsse man halt kreuzen.
Motivation können einige Mitglieder gut gebrauchen, wie aus den Diskussionsbeiträgen zu hören war. Das Wahlergebnis sei schlecht, daran gebe es nichts zu rütteln, befand Hans Eisenbichler aus Teisendorf. Man müsse die diversen Probleme in den Griff bekommen, besser kommunizieren und den Bürger besser wahrnehmen. Zudem sollten die Mitglieder sich mehr einbringen, forderte der Unternehmer. Gisela Bechmann sprach das „Grünen-Bashing“ an, dass sie erschreckend fand. Hoffnung würden ihr die neuen Mitglieder geben, so die ehemalige BGL-Kreissprecherin.
Biobauer und Kreisrat Albert Aschauer berichtete, er habe sich viel von den Landwirten anhören müssen, was alles schief läuft. „Wir müssen uns was überlegen, auch weil wir Grüne aus der Region 18 nun keine Abgeordnete mehr in München haben“, sprach er das überraschende Ausscheiden Gisela Sengls aus dem Landtag an. Wolfgang Ehrenlechner informierte, dass künftig Ludwig Hartmann, mit 44,6 Prozent direkt gewählt in München und der neue Landtags-Vizepräsident, den hiesigen Stimmkreis betreuen werde.
Winfried Köpnick, ehemaliger Kreisrat aus Laufen, sagte, das schlechte Ergebnis sei seiner Meinung nach das Ergebnis einer Entpolitisierung. Ähnlich wie in den USA würden auch hier nur die einfachen Parolen zählen. „Wir müssen der schwierigen Gesamtlage gewahr werden“. Andere Mitglieder berichteten von Gesprächen an Infoständen, die manches Mal sehr herausfordernd gewesen seien. Ihr Rat lautete: „Sich die Kritik anhören, Haltung bewahren und auf die Bürger zugehen“.
Einige Ortsvereine stellten bereits konkrete Pläne vor, wie sie die Ideen der Grünen im Berchtesgadener Land voranbringen wollen. „Wir wollen auch außerhalb des Wahlkampfes präsent sein und Themen setzen“, berichtete zum Beispiel Friedhelm Schneider aus Ainring. Wolfgang Hartmann sprach das Thema Flüchtlinge und Asylbewerber an. „Mit dieser Thematik müssen wir uns sehr stark auseinandersetzen, gemeinsam überlegen und praktikable Lösungsvorschläge erarbeiten“, befand der dritte Bürgermeister von Freilassing.
Bevor die Kreissprecher Magdalena Wimmer und Wolfgang Ehrenlechner die Versammlung nach fast dreistündigen, lebhaften Austausch offiziell beendeten, bedankten sie sich bei den Vertretern aus dem Kreisverband Traunstein ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit während der Wahl. Um diese gute Entwicklung gleich weiter zu vertiefen, blieben viele Grüne noch eine ganze Zeit im Steinbrünninger Schützenstüberl und diskutieren munter weiter.