Das Thema ist komplex und die Lage ernst. Auch bei uns im Berchtesgadener Land. So das Fazit des vom Ortsverband Berchtesgadener Tal organisierten Vortrags- und Diskussionsabend „Klimaschutz im Talkessel“ im Kuckucksnest. Die Gastredner, der hiesige Direktkandidat Wolfgang Ehrenlechner und Kreisrat Simon Köppl, waren sich einig: „Wir müssen jetzt, und viel tun. Und es braucht konkrete Antworten von Politik und Wissenschaft.“
Seit vielen Jahren sei bekannt, so der Teisendorfer, der in den Bundestag einziehen will, dass der Handlungsdruck, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen, mit fortschreitender Zeit steige. Vom Effekt, dass CO2 die Temperatur ansteigen lässt, wisse man bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Klimaziele seien durch viele internationale und nationale Abkommen längst festgelegt. Doch die bislang beschlossenen Maßnahmen würden nicht ausreichen. „Wir Grüne haben Antworten auf den drohenden Klimawandel, wir wollen bis 2040 klimaneutral werden“. Ausbau von Photovoltaik und Windkraft, bessere und an die Bedürfnisse der Menschen angelegte Mobilitätskonzepte seien einige der Stellschrauben. Mit einem sogenannten Energiegeld für jeden Bürger könnten Klimaschutzmaßnahmen auch sozial gerecht ablaufen, ist der 40-Jährige überzeugt. „Wir stehen vor großen Herausforderungen, wir haben nicht nur gute Ideen, sondern auch Antworten, weil wir hervorragende und unabhängige Wissenschaftler so wie Simon haben, die mit ihrer Forschung den Weg für ein klimaneutrales Land bereiten“.
Der Ramsauer Simon Köppl sitzt seit der letzten Kommunalwahl für die Grünen im Kreistag und ist dort Mitglied im Ausschuss für Landkreisentwicklung, Umweltfragen, Energie und Mobilität. Er ist Elektroingenieur und an der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München tätig. Gerade die Energiewende biete, so Köppl, neben Herausforderungen große Chancen für den ländlichen Raum: nur hier gebe es die notwendigen Flächen für die erneuerbaren Energien, nur hier gebe es Wälder als CO2-Senken. Klimaschutz werde viele Jobs in den ländlichen Raum bringen, wenn der Mut für eine konsequente Umsetzung da sei. Allerdings müsse man sofort und nicht erst in fünf Jahren anfangen. „Die Politik ist in Puncto Klimaschutz Ankündigungsweltmeister“.
Mit konkreten Beispielen, die er mit vielen Fakten und Zahlen untermauerte, erläuterte Simon Köppl sehr anschaulich, wie man mit grünen Ideen aus dem Klimaschutz eine, wie er es formulierte, „echte Gewinnerstory für das Berchtesgadener Land machen könne“. Es gebe nicht die eine Lösung schlechthin, so Köppl. Der Wasserstoff, dessen Herstellung sehr energieintensiv ist, sei für die Industrie gut brauchbar. Für PKW, LKW und Busse ist seiner Meinung nach der Elektroantrieb wirtschaftlicher. Photovoltaik gehöre auf konfliktfreie Flächen wie zum Beispiel Böschungen und auf alle kommunalen Dächer. Das sei bekannt, aber bisher sei viel zu wenig passiert.
Um das Berchtesgadener Land mit seinen 15 Gemeinden und gut 106 000 Einwohnern bis 2040 klimaneutral zu machen, müsste nach Simon Köppls Berechnungen ein typischer Monat ab jetzt wie folgt aussehen: es müssten PV-Anlagen auf einer Freifläche in der Größe von acht Fußballfeldern und zusätzlich auf etwa fünfzig Wohngebäuden installiert werden. Dazu müssten neunzig Heizanlagen durch regenerative Anlagen und 330 Autos mit fossilem Antrieb durch alternative Antriebe ersetzt sowie etwa fünfzig Wohngebäude energetisch saniert werden. Bei den Maßnahmen, die zusätzlich pro Jahr notwendig werden, ist unter anderem das Installieren von zwei Großbatteriespeichern notwendig und die Inbetriebnahme einer 5 MW-Windkraftanlage. „Wir haben angefangen, aber wir müssen jetzt weitertun“, so Köppl, „die Politik muss den Handlungsrahmen setzen und Mut geben“.
Von der Bundespolitik wünscht sich der 35-Jährige, dass Wirtschaft und Industrie als Verbündete angesehen werden, denn der Klimaschutz schaffe Jobs. Auch dass sie große Themen wie eine Marktumstellung, die an die zehn Jahr dauert, anspricht. „Wir werden in den nächsten Jahren viel ausprobieren, viele Experimente wagen müssen“, so seine Prognose.
Bei der anschließenden, engagiert geführten Diskussion kam die Sprache unter anderem auf die Problematik der Direktvermarktung von PV-Anlagen und auf die Rentabilität einer eventuellen Nachrüstung. Angesprochen wurden auch die Neuzulassungen von E-Autos sowie das Fehlen von Ladesäulen. „Da fehlt es hinten und vorn, am Hintersee-Parkplatz gibt es nicht eine einzige Ladesäule“, warf Bartl Wimmer ein. Dies sei ein struktureller Nachteil auch im Hinblick auf den Tourismus. Eine Zuhörerin wollte wissen, wann es Sinn mache, die Heizung auszutauschen. Ihrer Meinung nach sei es für Privatleute sehr kompliziert, die energietechnisch richtige Lösung zu finden. Hier verwies Simon Köppl auf die Energieagentur Südostbayern als erste Anlaufstelle, die sei ein gutes Angebot der Landkreise BGL und TS.
Nach der angeregten Diskussion entließ Ortssprecher Martin Klocke die interessierte Runde mit einem motivierenden „Beide Stimmen grün, das ist alternativlos“.