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In Bayern kein freies Mittagessen für Behinderte

Bei der Begehung einer grünen Delegation unter Führung von Sepp Daxenberger Probleme der Pidinger Werkstätten diskutiert. 75 bis maximal 300 Euro verdient ein Mitarbeiter der Pidinger Werkstätten GmbH der Lebenshilfe Berchtesgadener Land. Das Mittagessen, das in der Werkstatt für alle angeboten wird, kostet 2,67 Euro; diese Summe zu verlangen ist die Einrichtung verpflichtet. In Bayern - und nur in Bayern.

Und damit müssen diese Menschen mit Behinderung teilweise fast soviel für ihr Mittagessen ausgeben, wie sie verdienen. Dies berichtete Werkstatt-Geschäftsführer Hermann Seeböck bei einer Begehung durch eine rund 20-köpfige Besuchergruppe der Grünen aus dem Landkreis Berchtesgadener Land unter Führung des bayerischen Spitzenkandidaten Sepp Daxenberger.

Bei den grünen Mandatsträgern und Kandidaten - darunter auch die beiden Bezirkstagskandidaten Willi Alt und - stieß dies auf Verblüffung und Unverständnis. Tatsache ist aber offenbar, so Seeböck, dass die bayerischen Bezirke, die für die Finanzierung zuständig sind, das Mittagessen-Geld nicht zahlen, weil es durch die Ausführungsbestimmungen des vor etlichen Jahren neu erlassenen Grundsicherungsgesetzes nicht gedeckt sei. Laut Seeböck gehe die Einstellung der Verantwortlichen im Bezirk dahin, dass sie durchaus gerne zahlen würden, aber es einfach aufgrund der bayerischen Ausführungsbestimmungen nicht dürften. Schon seit 2003 gebe es, so Seeböck, Bestrebungen dies zu ändern. Aber tatsächlich habe sich seitdem an der Reglung nichts geändert. Es wäre eine interessante Frage zu klären, woran dieses Thema stehen geblieben sei.

 

 Daxenberger fragte zu dem Thema intensiv nach und sagte anschließend, sich - sobald er wieder Landtagsabgeordneter ist - umgehend damit befassen zu wollen. Es könne nicht sein, dass auf der Grundlage eines Bundesgesetzes die einzelnen Länder unterschiedlich verfahren. Dies müsse geklärt und geändert werden.

 

Ein weiteres Thema, das von Jahr zu Jahr brennender wird, ist die Tatsache, dass mehr und mehr Menschen mit Behinderung jetzt das Rentenalter erreichen. In den Werkstätten hat man damit begonnen, Umfragen zu machen, wo sich die älteren Mitarbeiter ihren Lebensmittelpunkt künftig vorstellen. „Wir hoffen auf eine Lösung mit Lebensqualität“, meinte dazu Geschäftsführer Seeböck, „am besten sollten für ältere Menschen mit geistiger Behinderung vielfältige bedarfsgerechte Angebote entstehen, damit auch diese Menschen Wahlmöglichkeiten haben“ . Es werde sicherlich Menschen mit Behinderung geben, die in den Werkstätten bleiben wollen, aber auch genügend, die finden, dass es ganz angenehm wäre, nicht mehr früh aufstehen und arbeiten zu müssen und deshalb eine an ein Wohnheim angegliederte Tagesbetreuung wünschen.

 

Sepp Daxenberger sprach sich dafür aus, diese Menschen, auch wenn sie nicht mehr arbeiten, unbedingt wo möglich in ihren bisherigen Wohngruppen bleiben zu lassen, damit sie nicht ihre gewohnte Bezugssituation verlieren. Wie drängend das Problem allmählich wird, drückte Seeböck aus: „In fünf Jahren kommt die erste komplette Generation von Rentnern.“ Der Landesverband der Lebenshilfe hat, wie er weiters informierte, für die nächste Legislaturperiode im Landtag dieses Thema mit einem Positionspapier an eine ganz vordere Stelle gesetzt und viele Politiker in dieser Sache auch bereits angeschrieben und um Stellungnahmen gebeten.

 

Bei dem Rundgang durch die Werkstätte, die mit den Neubauten der Jahre 2005 und 2006 auf derzeit 216 Mitarbeiter mit Behinderungen (zuvor 150) beschäftigt, wurden der Besuchergruppen die meisten der einzelnen Abteilungen gezeigt, die die Einrichtung aufzuweisen hat. Der größte Bereich und Hauptstandbein der Werkstätten ist die Schreinerei, in der vor allem Produkte für Großkunden hergestellt werden, so dass sich die Werkstätten nicht um den Vertrieb zu kümmern brauchen. Aber auch für den eigenen Christkindlmarkt werden viele gut verkaufbare Dinge produziert, nach dem Motto, das Geschäftsführer Seeböck auf eine entsprechende Frage aus der Besuchergruppe zum besten gab: „Mit dem Christkindlmarkt erzielen wir bessere Umsätze als mit einem schlecht laufenden Laden.“ Eine eigene Verkaufsstelle hat die Pidinger Werkstätte nämlich nicht, im Gegensatz etwa zur Lebenshilfe Traunstein.

 

Weitere Bereiche, die besucht wurden, waren die Wäscherei, die sich mit der entsprechenden Maschinenausstattung mehr und mehr auf Altenheime und Hotels einstellt, die Montage von Metallteilen, mit der Firma Brückner in Tittmoning als Hauptauftraggeber, der Metallbereich, die Salz- und Essigabfüllung, sechs weitere Montage-Bereiche und nicht zuletzt die Mikroverfilmung, auf die die Werkstätten sehr stolz sind. Gerade für den Bereich appellierte Seeböck an die Besucher, die Information darüber, dass in den Werkstätten Firmen ihre Unterlagen mikroverfilmen oder einscannen lassen können, bei geeigneten Ansprechpartnern zu verbreiten. Interessant am Rande: Aus zahllosen Briefen werden die Briefmarken abgetrennt, die dann - vorsortiert - immer Abnehmer finden, die dafür auch zahlen. Wer also Briefmarken-frankierte Umschläge hat: Die Werkstätte nimmt sie gerne ab.

 

 Zum Abschluss, ehe die Besuchergruppe zum Mittagessen im Speisesaal eingeladen war, war es Geschäftsführer Seeböck noch ein Anliegen, auf den Betreuerschlüssel eins zu zwölf hinzuweisen. Das sei zwar immer noch nicht „luxuriös“, aber es gehe. Ziel der Werkstätten sei es, allen Einsparungsbemühungen der Kostenträger zum Trotz, diesen Betreuungsschlüssel zu halten. Das Personal der Werkstätten liegt bei 50 Personen, auf Ganztagsstellen umgerechnet bei rund 37, wie Sozialdienstleiter Christian Wimmer informierte.

Bundestagskandidat Prof. Dr. Bernhard Zimmer (rechts)
Symbolik im Gasthausfenster: Sepp Hohlweger (links) musste Bernhard Zimmer die Vorfahrt lassen zur Bundestagskandidatur.
Sepp Daxenberger (Dritter von rechts) zu Besuch in der Schreinerei der Lebenshilfe-Werkstätte in Piding. Unser Bild zeigt von links den Laufner Kreisrat Winfried Köpnick, die Bezirkstagskandidaten Willi Alt und Elisabeth Hagenauer, die Freilassinger Grünen-Vorsitzende Marie-Luise Thierauf, Sepp Daxenberger, Werkstätten-Geschäftsführer Hermann Seeböck und Rudi Kullak.