Erstellt von Karin Kleinert | |   Wolfgang Ehrenlechner

Der Wolf in Bayern

Die Grünen im Berchtesgadener Land und Schafhalter tauschen sich am Högl aus - Mehr Pragmatismus und weniger Bürokratismus sind gefordert

 

Die Wiederansiedelung des Wolfs in der Region sorgt für Aufregung. Argumente für die Wiederansiedelung des Beutegreifers, der laut Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist, und Argumente dagegen sind schnell bei der Hand. Weil Dr. Bernhard Zimmer diese Situation nach eigenem Bekunden schon eine ganze Zeit als unzureichend empfindet, lud der grüne Kreisrat, seit letztem Jahr Schafhalter im Nebenerwerb, kurzerhand zu einer Diskussionsrunde auf den Högl ein. Das Thema lautete „Der Wolf zurück in Bayern – Welche Gestaltungsmöglichkeiten für eine störungsfreie Koexistenz der Raubtiere mit der traditionellen Weidetierhaltung in Bayern sind Aufgaben der Politik?“ Die Runde, Corona bedingt klein gehalten, war mit Vertretern aus beiden Lagern besetzt, so dass sich im Gastgarten des Berggasthofs Johannishögl und im von Zimmer bewirtschafteten Gelände unterhalb der Neubichler Alm angeregte Gespräche entwickelten. Nach rund zweistündigem Gedankenaustausch war man sich einig: es ist mehr Pragmatismus notwendig und weniger Bürokratismus.

 

Wölfe waren einst auf der ganzen nördlichen Halbkugel verbreitet. Durch die Jagd wurden sie überall zurückgedrängt, um 1850 waren sie in Deutschland ausgerottet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten immer wieder einzelne Tiere nach Deutschland ein. Seit der Wolf in den meisten Ländern geschützt wird, nehmen die Bestände allmählich zu. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt (LFU), dass für die „Großen Drei“, gemeint sind die großen Beutegreifer Bär, Luchs und Wolf zuständig ist, lebt der „Lupus canis“ seit 1996 wieder fest in Deutschland. Durch sogenanntes Monitoring kann das LFU seine Territorien festmachen. Für Bayern werden für das Monitoringjahr 2020/21, das von Mai 20 bis April 21 geht, rund sechzig Einzelnachweise aufgelistet, darunter fünf für den Landkreis Traunstein und einer für das Berchtesgadener Land. Die Hinweise wurden durch Fotos einer Wildkamera, durch Rissabstrich oder, wie im Falle im Landkreis BGL, mittels Losung ermittelt.    

 

Wölfe sind vorsichtig und meiden Menschen. In dicht besiedelten Kulturlandschaften kommt es trotzdem vor, dass sie an Dörfern vorbeilaufen. Ihr Nahrungsspektrum ist breit, es reicht von Aas über Kleinsäuger bis zu Wildtieren wie Rehe und Wildschweine. Weil sich der Wolf die für ihn am leichtesten zugängliche Nahrung sucht, bevorzugt er kranke und schwache Tiere, aber eben auch unzureichend geschützte Nutztiere. Nach Angaben des LFU gab es 2020 in Bayern zwölf Wolfsrisse an Weidetieren mit 34 toten Tieren (meist Schafe). In der Statistik sind es Zahlen, für den Tierhalter ist jeder Riss eine Katastrophe.

 

„Mit ruhig schlafen ist da nichts mehr“, meinte Martin Winkelmair aus Anger hinsichtlich der Fälle in den hiesigen Landkreisen. Das Thema werde uns lang verfolgen, so der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Brillenschaf e. V. und Mitglied im Vorstand der Schafhaltervereinigung Berchtesgadener Land e. V. Der Nebenerwerbsschafhalter besitzt etwa vierzig Muttertiere, die er in fünf kleinen Herden zwischen Bad Reichenhall und Saaldorf-Surheim hält. Seine Motivation ist die Liebe zu den Schafen von klein auf, aber auch, dass durch seine Nachzuchten vom Aussterben bedrohte Haustierrassen erhalten werden. Obendrein fördert er mit der Schafbeweidung die Artenvielfalt. Um seine Tiere zu schützen, hat er Elektrozäune angeschafft. Für einen kompletten Herdenschutzzaun kämen etliche tausend Euro Investitionskosten zusammen, die laut Winkelmair für viele Kleinschafhalter zu hoch und damit nicht machbar wären. Von den Politikern gefragt, was er sich wünsche, sagte er ohne Umschweife: „Ich wünsche mir keinen Wolf“.

 

„Der Schutzstatus des Wolfes als bedrohte Tierart ist nicht verhandelbar“, bekräftigten die beiden Landespolitiker Ludwig Hartmann und Gisela Sengl die Position der Grünen. Allerdings sei es wichtig herauszufinden, was man praktisch besser machen könne. Vorhandene Ressentiments anzuheizen, bringe nichts, so der Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag. Es sei der falsche Ansatz, dass Tierhalter nur bei Rissen Ausgleichszahlungen bekämen. Vielmehr sollte präventiver Herdenschutz finanziell unterstützt werden. 

 

Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen, selbst Landwirtin, meinte, dass Politik und zuständiges Ministerium aktiv auf die Halter zugehen müssten und bereden, was jetzt konkret helfen kann. Die Stellen der Schafgebietsbetreuer in den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sollten nicht reduziert, sondern aufgestockt werden, so die regionale grüne Stimmkreisabgeordnete im Landtag. Ein weiterer Lösungsansatz wäre, wenn die Politik die Arbeit der Weidetierhalter im Sinne von Landschaftspflege und dem damit verbundenen Erhalt der Biodiversität noch mehr honorieren würde. 

 

Wolfgang Ehrenlechner, der für die hiesigen Grünen im Herbst in den Bundestag einziehen will, war mit von der Partie, um sich über das Thema und die Sicht der Schafhalter zu informieren. Seiner Ansicht nach sollte die Politik weder Vorurteile noch Ängste schüren und  keine falschen Versprechen geben, denn eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht. Durchziehende Wölfe, meist männliche Einzeltiere, könnten zum Problem werden. Doch für solche „Problemwölfe“, so der Teisendorfer, sehe das Naturschutzgesetz, wenn alle Alternativen ausgeschöpft sind, inzwischen eine Entnahme durchaus vor. 

 

Für den studierten Forstwirt Bernhard Zimmer gehört der Wolf zu einem intakten Ökosystem dazu, beziehungsweise könnte er gut dazu beitragen. Das staatliche Wolfsmanagement müsste dahingehend modifiziert werden, eine wie auch immer geartete Vorsorge der Weidetiere besser zu unterstützen, zum Beispiel durchaus auch mit digitalen Mitteln. Weil das Berchtesgadener Land noch kein vom LFU anerkanntes Wolfsgebiet sei, bekämen die Landwirte keine Förderung für einen wolfsicheren Zaun, so der Sprecher des Kreisverbandes der Grünen. Er ist als Schafhalter und Züchter auch Mitglied in der Bayerischen Herdbuchgesellschaft e. V., einem staatlich anerkannten Zuchtverband, der derzeit 34 Rassen in 363 Zuchtbetrieben betreut. 

 

Es müsse klar sein, so Zimmer, dass Elektrozäune, vor allem die mobilen Netze, die nur zeitweise aufgestellt werden, problematisch und keine optimale Lösung sind. Sie beschneiden bestehende Populationen und kleine Wildtiere wie wandernde Frösche und Igel werden durch den Strom getötet. Daher verwendet er zum Schutz seiner Alpinen Steinschafe vor allem feste Elektrozäune. Diese brauche er in jedem Fall, auch ohne Wolf. Einmal weil die Tiere ohne Schäfer ausreißen würden, zum anderen, weil er sie vor freilaufenden Hunden schützen muss.

 

Es wurden noch viele weitere Aspekte angesprochen, über die kontrovers diskutiert wurde, zum Beispiel wie ein wolfssicherer Zaun genau aussehen soll, wie sinnvoll Herdenschutzhunde und genetische Nachweispflicht sind und vieles mehr. Die Argumente der jeweils anderen Seite wurden gehört, der Ton blieb sachlich und respektvoll. Alles in allem gute Voraussetzungen für weitere Treffen, bei denen es um eine Koexistenz von Wolf und Weidetieren geht. 

 

Informationen zum Wolf:

„Der Wolf in Bayern“ heißt ein Faltblatt des Bayerischen Landesamts für Umwelt, das  ausführliche Informationen für Nutztierhalter gibt und die zuständigen Ansprechpartner nennt. Man findet es unter www.lfu.bayern.de: Natur > Tiere > Wildtiermanagement > Wolf. Beratungen rund um das Thema Zäunung gibt es beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Traunstein unter www.aelf-ts.bayern.de

 

Gisela Sengl, die heimische Stimmkreisabgeordnete der Grünen im Landtag, und Wolfgang Ehrenlechner, hiesiger Grüner Bundestagswahlkandidat, bei Bernhard Zimmers Alpinen Steinschafen, die er auf gepachteten Wiesen am Högl hält.
Vom Garten des Berggasthofs Johannishögl ging es für die Teilnehmer der Diskussionsrunde „Der Wolf zurück in Bayern“ zum Bienengarten am Högl unterhalb der Neubichler Alm, v. l.: Martin Winkelmair (Mitglied im Vorstand der Schafhaltervereinigung BGL), Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, Georg Linner (AELF Traunstein), Magdalena Wimmer (Beisitzerin im Grünen Kreisverband BGL), Wolfgang Ehrenlechner, Grüner Bundestagswahlkandidat der Landkreise BGL und TS, Kreisrat Dr. Bernhard Zimmer, Herbert Tschakert (Schafhalter im Nebenerwerb).