Erstellt von Norbert Höhn | |   Laufen

Den Wert von Lebensmitteln erkennen

Grünen-Ortsverband und MdL Gisela Sengl zu Besuch auf dem Biohof Lecker

Zu einem Besuch auf dem Biohof Lecker in Niederheining hatte der Grünen-Ortsverband Laufen eingeladen. Mit dabei war die Landtagsabgeordnete Gisela Sengl, Agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. „Uns ist nicht nur die Qualität unserer Lebensmittel wichtig, wir legen auch Wert darauf, dass sie nachhaltig für Mensch und Umwelt produziert werden“, betonte Hans Lecker junior, der zusammen mit seiner Frau Christine den Urbanhof nach biologisch-dynamischen Grundsätzen bewirtschaftet.  

Zum Gesamtbetrieb gehören der Lirzerhof in Schiffmoning, Gemeinde Ainring und ein Hof im niederbayerischen Hinterau. Die landwirtschaftliche Familientradition reicht weit zurück, denn bereits 1637 begann der erste „Lecker“ in Schiffmoning mit der Landwirtschaft. „Heute wird der Lirzerhof von meinen Eltern sowie von meinem Bruder und dessen Frau bewirtschaftet“, erzählt der promovierte Agrarwissenschaftler Hans Lecker. Vor über 20 Jahren hat sein Vater aus tiefer Überzeugung auf Bio umgestellt. Da es auch Hans Lecker junior wieder in die praktische Landwirtschaft zog, bot es sich 2009 an, den Urbanhof in Niederheining zu übernehmen. Der Hof aus der Verwandtschaft seiner Frau Christine war zuvor länger nicht mehr bewirtschaftet worden und wurde nur noch von der Großmutter bewohnt. „Es brauchte viel Zeit, Geduld und Hingabe, den Hof, dessen Geschichte auf das Jahr 1533 zurückreicht, in seiner Eigentümlichkeit zu erhalten und trotzdem frischen Wind hineinzubringen“, blickt Hans Lecker heute zurück. Neben der biologischen Bewirtschaftung begann er ein Vermarktungssystem mit einem kleinen Hofladen und den Vertrieb von Abokisten aufzubauen. Grundlage war der Bio-Einzelhandel mit eigenen Produkten und regionalen Lebensmitteln. Zum Gesamtbetrieb gehören heute neben der Milchwirtschaft und dem Anbau von Feldfrüchten eine kleine Hofmolkerei in Schiffmoning, in der Käse und weitere Milchprodukte hergestellt werden, Hühnerhaltung und eine Nudelmanufaktur.

Beim Rundgang durch das Anwesen in Niederheining konnten sich die Besucher überzeugen, dass den Leckers nicht nur gesunde Lebensmittel ein Herzensanliegen sind, sondern auch artgerechte Tierhaltung. So beispielsweise beim mobilen Hühnerstall, wo sich das Federvieh frei nach Lust und Laune bewegen kann. 400 Hühner halten sich im Stall oder im freien Gelände auf. Ist die Wiese „abgeerntet“, wird die gesamte Anlage im zweimonatigen Turnus einfach versetzt. Modernste Technik unterstützt dabei Hühnerhaltung und Eierproduktion. „So stellt man sich Hühnerhaltung vor“, äußerte sich Gisela Sengl anerkennend. Zwischenzeitlich fast eine Rarität: Auf der Weide grasen Kühe mit Hörnern. „Die Kuh ist ein Charaktertier, zu dem die Hörner einfach dazugehören“, sagte Hans Lecker. Seiner Meinung darf es nicht sein, dass das Tierwohl aus Bewirtschaftungsgründen auf der Strecke bleibt. Angebaut wird auf dem Hof die alte Zuckermaissorte „Bantam“, deren Samen nicht gentechnisch manipuliert ist. Besonders interessant für die Gäste war der Hofladen samt Packraum für die Ökokisten. „Viele Bestellungen erfolgen online, deshalb ist eine ausgefeilte Logistik notwendig“, erklärte Lecker. Die Kunden können aus einem umfangreichen Angebot an saisonalen Gemüse, Obst, Eiern, Milchprodukten, Nudeln und vielem mehr auswählen und ihre „Kiste“ individuell zusammenstellen. Daneben werden auch je nach Saison Standardkisten, wie „Lecker‘s Kiste“, „Gemüsekiste“ oder „Obstkorb“ angeboten. Die Kisten werden direkt zu den Kunden geliefert, wobei auch der auffällige Fahrrad-Lieferwagen im näheren Umkreis zum Einsatz kommt. Die Lecker-Produkte werden zudem über Kooperationspartner und auf Wochenmärkten vertrieben.

MdL Gisela Sengl, die zusammen mit ihrem Mann Hans Dandl einen ähnlichen Betrieb im Landkreis Traunstein führt, zeigte sich beeindruckt vom Elan und vom Ideenreichtum der Familien Lecker. Sie bedauerte, dass viele Menschen gerade in den Städten, keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft und damit zur Lebensmittelerzeugung hätten. Sie ließ aber auch leichten Optimismus anklingen: „An der Einstellung, dass Lebensmittel keinen Wert haben, ändert sich gerade etwas.“ Auf dem richtigen Weg sieht sie den bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, der allerdings keinerlei Unterstützung aus den eigenen CSU-Reihen bekomme. „Die Landwirtschaft muss sich ökologisieren, wobei auch Wege für die konventionellen Landwirte aufgezeigt werden müssen“, forderte Sengl. Auch die Vermarktungsstrukturen bedürften größerer staatlicher Unterstützung. Ein großes Thema sei zudem der Tierschutz und das Tierwohl, was nur durch artgerechte Haltung erreicht werden könne. Um Kinder frühzeitig für biologisches Wirtschaften zu sensibilisieren, sollte ein Schulfach „Ernährung und Landwirtschaft“ eingeführt werden. Mit gutem Beispiel könnte im öffentlichen Bereich vorangegangen werden, beispielsweise durch ein Angebot von Bio-Lebensmitteln in Behördenkantinen oder bei Vereinsfesten. Für Bio-Bauern forderte Gisela Sengl mehr staatliche Unterstützung: „Öffentliches Geld für öffentliche Leistung.“ Als „schwierig“ ordnete sie die Ökomodellregionen ein. „Einerseits ein guter Ansatz, auf der anderen Seite aber wenig Unterstützung durch CSU, Bauernverband und örtliche Bürgermeister.“ Abschließend setzte sich die Abgeordnete noch kritisch mit dem Thema „Flächenverbrauch“ auseinander. So habe der Versiegelungsgrad im Landkreis Berchtesgadener Land zwischen den Jahren 2000 und 2015 um sieben Prozent zugenommen, was einer Fläche von 815 Hektar entspricht. „Wir Grünen fordern ein Volksbegehren für eine Obergrenze beim Flächenverbrauch.“
Stadtrat Georg Linner bedankte sich abschließend bei der Familie Lecker und bei den Teilnehmern der Informationsveranstaltung. „Der Biohof ist ein Vorzeigebetrieb in Sachen ökologischer Landwirtschaft.“ Dass Bio nicht nur gesund ist, sondern auch sehr gut schmeckt, durften die Besucher bei der anschließenden reichhaltigen Brotzeit erfahren, die ihnen von Christine und Hans Lecker aufgetischt wurde.

„Glückliche Hühner“ Dr. Hans Lecker und MdL Gisela Sengl
Besuchergruppe vor dem „Lieferrad“
Gisela Sengl probiert's gleich aus
Logistische Herausforderung: Hofladen und Packraum
Brotzeit zum Abschluss