In der Kreisversammlung in Ainring wurde die Bankkauffrau Ulrike Schweiger aus Freilassing von den BGL-Grünen als Bundestagskandidatin für das Jahr 2025 nominiert. Das Interesse an der gut zweistündigen Veranstaltung, an der auch Landtagsvizepräsident Ludwig Hartmann teilnahm, war derart groß, dass der Nebensaal im Gasthaus „Zum Doppei“ in Adelstetten bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Co-Kreisvorsitzender Wolfgang Ehrenlechner, der die Versammlung moderierte, sagte, dass es heute um die Nominierung von Seiten des BGL-Kreisverbandes gehe, also noch nicht um die offizielle Aufstellung. Er verwies darauf, dass sich der Traunsteiner Kreisverband bereits vor kurzem für die Nominierung von Ulrike Schweiger ausgesprochen habe. Sollte sich Schweiger auch bei der Aufstellungsversammlung durchsetzen, sei sie die erste Frau bei den Grünen, die im Bundestagswahlkreis Traunstein ein Mandat für den Bundestag anstrebt. Der Wahlkreis Traunstein umfasst die beiden Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein. Die offizielle Aufstellungsversammlung sei für Freitag, 27. September, in Teisendorf im Gasthof Alte Post geplant. Nichtsdestotrotz könnten sich dort freilich noch andere Kandidaten um das Mandat des Bundestagskandidaten bewerben, informierte Wolfgang Ehrenlechner.
Vor der Nominierung übergab Ehrenlechner das Wort an MdL Ludwig Hartmann, um eine Rückschau auf die Europawahl zu geben, deren Ergebnis für ihn ein harter Brocken gewesen sei, so der BGL-Vorsitzende. Der Landtagsvizepräsident verwies auf die Höhen und Tiefen, die es bei den Grünen schon immer gegeben habe. Momentan sei es jedoch anders: die Stimmung sei enorm aufgeheizt, inhaltliche Debatten kaum mehr möglich. Selbstkritisch meinte er, die Grünen müssten sich, besonders wenn sie in Regierungsverantwortung seien, auf ihre Kernthemen wie Klima-, Natur- und Artenschutz konzentrieren und dort die Themen richtig setzen. Aber, betonte er: „Die Maßnahmen müssen Hand und Fuß haben und kritischen Nachfragen standhalten“.
Hartmann benannte auch einige seiner Meinung nach strategische Fehler und rief dazu auf, sich keine Debatten aufzwängen zu lassen, sondern klar zu benennen, was die Grünen erreicht haben. Von etlichen Kollegen seiner Partei wünsche er sich, dass sie die Stimmung der Menschen besser aufnehmen. Es müssten klare Aussagen getroffen werden, denn „die Menschen wollen wissen, wo die Reise hingeht“. Das sei kein Selbstläufer, dafür müsse einiges getan werden, schloss der Landtagsvizepräsident seinen halbstündigen Inputvortrag.
Im Folgenden stellten die Mitglieder viele Fragen, gaben Kommentare und Diskussionsbeiträge zu einer Menge Themen ab. Des Öfteren wurde angesprochen, dass die Erfolge der Grünen in den Medien kaum Erwähnung fänden. Hartmann dazu: „Man muss die Erfolge benennen, zum Beispiel das 49.- Euro-Ticket, durch das sich viele Menschen, auch auf dem Land, jeden Monat eine Menge Geld sparen“. Oder das Balkonkraftwerk, für das es inzwischen nur noch eine einzige Meldung brauche. Der Pidinger Kreisrat Dr. Bernhard Zimmer sprach an, dass die EU-Wahlkampagnen zu viele Schwerpunkte für die Stadt gesetzt hätten. Hartmann erinnerte an einige Punkte wie die KfW-Förderung für Haussanierungen. Dadurch gehe viel Geld in den ländlichen Raum, betonte er. Der Sprecher der Grünen Kreistagsfraktion Dr. Bartl Wimmer forderte unter anderem eine Strategie, wie man junge Leute erreicht, und zwar auf allen Ebenen. Diese Strategie müsse gut geplant und danach auch entsprechend kommuniziert werden, so der Berchtesgadener.
Dieser Aspekt sei auch ihr sehr wichtig, warf Ulrike Schweiger ein. „Wir müssen versuchen, aus unserer grünen Blase heraus zu kommen und junge Menschen erreichen“, sagte die 58-Jährige. In ihrer Bewerbungsrede gab sie zuerst Einblicke in ihren Werdegang. Sie sei in Tacherting aufgewachsen und in Trostberg auf das Gymnasium gegangen. Nach einer Banklehre im Landkreis Traunstein habe sie im Bankenwesen in Deutschland und Österreich gearbeitet, seit mehr als zwanzig Jahren wohne sie in Freilassing. Vor zwei Jahren habe sie sich im Bereich Training, Moderation und Coaching selbständig gemacht. Zudem arbeite sie bei der Caritas in Teilzeit als Ehrenamtskoordinatorin im Fachbereich „Integration & Asyl“.
Seit ihre Kinder erwachsen sind, berichtete Schweiger, könne sie freigewordene Zeit und Energie in politisches Engagement investieren. Dies mache sie in mehrfacher Hinsicht: als Ortsvorsitzende bei den Freilassinger Grünen und seit heuer auch als Vorsitzende bei den Kreisgrünen. Obendrein wurde sie Anfang des Jahres beim Parteitag der bayerischen Grünen als Delegierte für den Bundesfrauenrat gewählt und gehört damit zu einem Team, das den Landesverband Bayern auf Bundesebene vertritt.
Sehr am Herzen liege ihr die Frauenpolitik, bekannte die Freilassingerin. Weil sie selbst jahrelang alleinerziehend gewesen sei, wisse sie um die damit verbundenen Herausforderungen. Aus vielen Gesprächen mit Frauen habe sie erfahren, dass gerade im ländlichen Raum noch viel zu tun sei, um die Gleichberechtigung voranzubringen und damit die Situation für Frauen zu verbessern. Zudem greife Frauenpolitik auch auf viele andere Bereiche über wie „Fachkräftegewinnung“, „Lohnlücke zwischen Männern und Frauen“, „Ungleiche Verteilung von Care-Arbeit“ und „Altersarmut“.
Zum Thema „Migrationspolitik“ sagte Ulrike Schweiger, dass auch die Grünen kein Interesse hätten, Gefährder und Kriminelle ins Land zu lassen. Es müsse doch einen Mittelweg zwischen offenen Grenzen und totaler Abschottung geben. Der Gesichtspunkt „Integration der Menschen“ komme ihr bei den vielen Debatten um Migration oftmals zu kurz, betonte sie.
Auch über ihr Verständnis von Politik äußerte sich Ulrike Schweiger. Ihre Maxime sei, politische Mitbewerber nicht niederzumachen, sondern mit eigenen Kompetenzen und Ideen zu punkten. Bei Lügen und Unwahrheiten habe sie jedoch für sich die Devise „Null-Toleranz“ ausgerufen. „Da müssen wir auch mal laut sein und Attacke reiten“, zeigte sie sich kämpferisch. Nur so könne ihrer Meinung nach die Demokratie geschützt werden. Die vielfältigen Krisen seien nur in Kooperation zu bewältigen, sowohl mit Koalitionspartnern als auch mit unterschiedlichen Verbänden. Am Ende ihrer Bewerbungsrede als Bundestagskandidatin betonte sie, dass sie zu sehr Sportlerin sei, um, bei allem Respekt vor diesem Amt, nicht „gewinnen“, also gewählt werden zu wollen.
Nach einer intensiven Fragerunde wählten die Mitglieder des Kreisverbands Berchtesgadener Land Ulrike Schweiger in geheimer Abstimmung einstimmig (bei einer Enthaltung) und nominierten sie zur Grünen Direkt-Kandidatin im Wahlkreis Traunstein für die Bundestagswahl 2025.