Erstellt von Hannes Höfer | |   Laufen

Bauern wollen nicht die Schuldigen sein

Laufener Grüne diskutierten über die Ursachen des übermäßigen Phosphor- und Gülleeintrags in den Abtsee

Leobendorf. Die Badewasserqualität im Abtsee sei ausgezeichnet, heißt es regelmäßig von Seiten des Gesundheitsamtes. Der ökologische Zustand des Sees entspricht allerdings nur der Klasse 3, das heißt „mäßig“. Ein Grund: Es gelangt zu viel Phosphor in den See, er ist gleichsam überdüngt. Ein nicht unerheblicher Teil dieser „Düngung“ kommt aus der Landwirtschaft. Dass die Landwirte das nicht uneingeschränkt eingestehen wollen, zeigte sich kürzlich im Gasthaus Leobendorf, wo Laufens Grünen-Ortsverband zur Diskussion über Ursachen und Lösungen für den Abtsee eingeladen hatte.

„Besser als der Waginger, aber schlechter als der Tachinger See“, beschrieb Landwirtschaftsfachmann Georg Linner den Zustand des Abtsees. Dieser kleine Voralpensee bedeckt eine Fläche von 84 Hektar und reicht bis in 20 Meter Tiefe. Der Wassereinzugsbereich erstreckt sich über 21 Quadratkilometer. Drei Zuläufe, der Gaberlbach, der Rossgraben und der Badhäuslgraben, bringen nicht nur Wasser in den See, sondern auch Nährstoffe. „Theoretisch erneuert sich das Wasser des Sees einmal im halben Jahre“, weiß Stadtrat Linner, doch ein Rest setze sich ab und verbleibe am Grund.

Schon 1990 habe der örtliche Fremdenverkehrsverein aus Sorge um den Gästezulauf ein Düngeverbot um den See gefordert. Zusammen mit dem damals noch existierenden Landwirtschaftsamt in Laufen und einer entsprechenden Beratung sei man auf einem guten Weg gewesen, erinnert sich Linner, Sparmaßnahmen unter einem Ministerpräsidenten Edmund Stoiber aber hätten diesen Weg gestoppt. „Der Nährstoffeintrag ist in den letzten Jahren wieder angestiegen“, fasste Linner die Lage zusammen, „deshalb braucht es Maßnahmen.“

„Alles um den See kann sich auswirken“, betonte Landschaftsplaner Hannes Krauss, der als Mitarbeiter der Laufener Naturschutzakademie (ANL) häufig mit dem See befasst ist. Aufgefallen waren ihm die relativ vielen Gullys in der Landschaft, die den Eintrag in den See mit kurzen Wegen beschleunigten. Für Krauss der „wohl entscheidende“ Faktor: „Das Gülle-Management.“ Und der Rückhalt der Phosphatfracht. Das will die bayerische Verwaltung für ländliche Entwicklung nun im Zusammenwirken mit der Initiative boden:ständig mit dem Bau von Absetzbecken und Verrieselungsflächen erreichen.

Grünen-Landtagsabgeordnete Gisela Sengl erinnerte an die starke Blaualgenblüte im vergangen Spätsommer. „Diese Algen sind giftig, und falls deren Werte zu hoch sind, muss der See gesperrt werden.“ Ihr Eindruck als agrarpolitische Sprecherin ihrer Fraktion: „Die europäische Wasserrahmenrichtlinie wird zu wenig ernst genommen.“ Der darin geforderte „gute Zustand“ mit den Etappen-Schritten 2015, 2021 und 2027 sei mit den derzeitigen Mahnahmen nicht zu erreichen, ist Sengl überzeugt.

Dabei sei die europäische Umweltgesetzgebung „super“, verständlich und genau erklärt. Die Angaben der Ämter zur Badewasserqualität bezögen sich allein auf Coli-Bakterien, dabei gehe es jedoch um weit mehr als die Frage: Darf oder kann ich noch baden? Es gehe um die Natur und um wertvolle Lebensräume. Christian Lackner lebt seit 60 Jahren am Ufer des Abtsees. „Als Kinder haben wir das Wasser noch getrunken“, erzählte er der Versammlung, „heute bekommt meine Enkelin allein vom Baden Hautausschlag.“ Die Ufer seien ebenso verschlammt wie das Rückhaltebecken bei Fisching. Die Bauern würden bis an den See und die Gräben düngen, und das selbst bei schneebedeckten oder gefrorenen Böden. „Erst riecht der Gülledreck in der Luft, dann aus dem See“, so Lackners Erfahrung.

Anders als in anderen Bundesländern gebe es in Bayern keine verpflichtend einzuhaltenden Gewässerrandstreifen, bedauert Sengl und schlägt gesetzlich geregelte zehn Meter Abstand vor. Landwirt Hans „Hemei“ Haunerdinger mochte das so nicht stehen lassen. „Wieviel Fläche liegt denn wirklich am See?“, fragte er und meinte in Sachen Hautausschlag: „Der Mensch ist empfindlicher geworden.“ Dass es unter seinen Berufskollegen „schwarze Schafe“ gebe, mochte er nicht in Abrede stellen. Haunerdinger glaubt nicht an den großen Vorteil der nun vorgeschriebenen Schleppschlauchtechnik, die zudem extrem teuer sei. Diese 100.000-Euro-Investition könne nur im Rahmen einer Gülle-Gemeinschaft geleistet werden, weshalb nicht jeder zum optimalen Zeitpunkt düngen könne. Sengl fragte Hemei und Kollegen daraufhin: „Muss denn immer alles so riesig sein?“ Sie sehe zudem in der heimischen Landschaft „ganz viel Mais.“ Haunerdinger aber erachtet den Mais als „gar nicht so schlecht“, produziere der doch ein Vielfaches an Sauerstoff als ein Wald auf gleicher Fläche.

Das Schilf am Seeufer sei früher gemäht worden, heute verfaule es im Wasser, warf Haunerdinger ein, was wiederum Linner so nicht stehen lassen mochte: „Verlandung ja, aber im Schilf ist kein Phosphat, denn sonst würdet ihr es verfüttern.“ Linner erwartet in diesem Jahr bis zu acht Wiesenschnitte, was bedeute, dass neunmal Gülle ausgebracht werde. „Von zweimal mähen kann ich nicht leben“, hielt dem Haunerdinger entgegen. Grünen-Wahlkreis-Kandidat Dr. Bernhard Zimmer fordert eine Umstrukturierung der Agrarförderung. Mit Absetzbecken sei der Phosphor ja nicht weg, es müsse irgendwann ausgebaggert, weggefahren und entsorgt werden. „Wenn der See uns wichtig ist, müssen wir das anders lösen“, meinte Zimmer.

Mit der neuen Düngeverordnung, die maximal 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr zulässt, sieht Martin Eder aus Kemating den Boden eher unterversorgt. „Irgendwas stimmt trotzdem nicht“, erwiderte Sengl, „woher kommt denn der Phosphor im See?“ Die Abgeordnete geht davon aus, dass pro Hektar ein Kilogramm Phosphor zu viel in den See gelange. Gerade die sogenannte Mais-Wurzel-Düngung zu Beginn erbringe einen nicht unwesentlichen Anteil.  

Zimmer beklagte eine sich gravierend verändernde Artenzusammensetzung in den Wiesen. Christian König aus Abtsdorf will auch andere Belastungen betrachtet wissen: „Bei Starkregen gelangen die Überläufe aus dem Oberheininger Kanal in den See.“ Der Ringkanal sei in die Jahre gekommen, Betonrohre bekanntermaßen nicht dauerhaft dicht. Die zunehmende Anzahl von Bäumen am Seeufer brächten große Mengen Laub und Äste ins Wasser, das große Freizeitgelände werde nur gemulcht.

Franz Eder, Grünen-Stadtrat in Laufen, zeigte sich skeptisch, ob der Bau von Becken die richtige Antwort auf die Probleme sei, man stattdessen nicht direkt an die Ursachen heran gehen sollte. Georg Linner möchte jeden der betroffenen Bauern entsprechend beraten, Gisela Sengl Ausbildung und Beratung insgesamt verändern. Bernhard Zimmer forderte eine „andere Agrarpolitik“, denn man habe „ein massives ökologisches Problem.“ Nicht überbewerten möchte Hans Haunerdinger das Thema Algen, denn schon in seinen Kindertagen habe die alte Fischer-Mutter darüber gesagt: „Mal blüht es rot, mal blüht es grün.“ Der „Hemei“ folgert daraus: „Das hat es wohl immer schon gegeben – auch ohne Kunstdünger.“

Für den Grünen-Ortsvorsitzenden Herbert Fial ist der Abtsee ein idyllisches Kleinod, den aber so mancher inzwischen mit „einem schlechten Gefühl“ besuche.
Zwischen Haarmoos und Leustetten: Laufens Grüne schauen, auf welchen Wegen die Gülle in den Abtsee kommt. Von rechts: Georg Linner, Landschaftsplaner Hannes Krauss, MdL Gisela Sengl, Matthias Lutz, Ortsvorsitzender Herbert Fial, Theresa Herrmann, Klaus Jani, Franz Eder, Karl Stangassinger, Heike Haberl-Jani und Peter Schauer.
Die Straßen führen in viele Richtungen. „Wasser aber fließt immer abwärts“, meint Hans „Hemei“ Haunerdinger. Fotos: Hannes Höfer