Sehr geehrte Frau Staatsministerin Kaniber!
Mit Bestürzung nehmen wir die ab nächstem Schuljahr geplante Änderung der Stundentafel an Bayerns Grundschulen zur Kenntnis. Unseres Erachtens sind die geplanten Änderungen nicht kindgerecht und werden wissenschaftlichen Erkenntnissen der Hirnforschung und der Entwicklungspsychologie nicht gerecht.
Die Ergebnisse der PISA-Studie mit gesunkenen Leistungen in Mathematik und Deutsch, vor allem auch beim Lesen sind alarmierend. Ein weiteres genauso ernst zu nehmendes Ergebnis der Studie war, dass auch die Zufriedenheit mit ihrem Leben bei den 15-Jährigen abgenommen hat. Als wesentliche Ursachen für die Ergebnisse wurden der Lehrermangel und die durch corona durchgeführten Einschränkungen benannt. Es ist Allgemeinwissen, dass unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiches Lernen eine gesunde stabile psychische Verfassung ist.
Es spricht unseres Erachtens nichts dagegen Deutsch- und Mathematikstunden maßvoll zu erhöhen. Dazu bräuchte man Lehrerinnen und Lehrer, die diese Stunden halten können. Leider wurde gegen den seit Jahrzehnten bestehenden Lehrermangel nie ausreichend vorgegangen. Auf Grund dieser Tatsache als Notkonstrukt im musisch-kreativen Bereich oder im Fach Englisch zu kürzen, halten wir für fachlich fatal, kinderfeindlich und rückständig. Während ansonsten die Stundentafel genau vorgeschrieben ist, scheut die Staatsregierung eine konkrete Entscheidung und belässt die unliebsame und strittige Entscheidung der Kürzungen den Schulen. Da die Meinungen darüber, was gekürzt werden soll, weit auseinander gehen werden, wird dies keine leichte Aufgabe für die Schulleitungen, Lehrerkollegien und Elternbeiräte.
Jetzt muss also aus dem Bereich Musik, Kunst, Werken und Gestalten sowie Englisch dieselbe Anzahl an Stunden gestrichen werden. Die Anzahl der katholischen Religionsstunden, die in der 3. und 4. Jahrgangsstufe mit 3 Wochenstunden hoch ist, bleibt dagegen erhalten. Wir halten die beabsichtigten Kürzungen für einen völlig undurchdachten Schnellschuss, der unseren Kindern und deren Entwicklung in keinster Weise gerecht wird. Gerade die musischen Fächer haben großen Wert für eine ganzheitliche, umfassende Bildung. Kunst und Musik fördern die emotionale Ausgeglichenheit sowie die Sprache der Kinder, stärken das Gemeinschaftsgefühl und das Selbstbewusstsein, können psychische Belastungen mindern und Freude an kreativer Beschäftigung schaffen. Auch eine mögliche Kürzung von „Werken und Gestalten“ halten wir für die Schulung von Feinmotorik und handwerklicher Geschicklichkeit für verfehlt. Wie soll sich ohne die frühzeitige praktische Beschäftigung eine Liebe zu handwerklichem Tun entwickeln? Wir Alle haben erfahren, dass gerade Kunst, Musik und Werken wertvolle Erfolgserlebnisse und Motivation für die Kinder bringen und sie somit in ihrer Gesamtpersönlichkeit stärken.
Gute Kenntnisse in Deutsch und Mathematik sind von elementarer Bedeutung, sind aber gleichzeitig nur ein Teil einer umfassenden Bildung. In vielen Ländern wird immer mehr der hohe Wert musischer Bildung erkannt. Das sollte auch bei uns in Bayern so sein. Aus vielen Gesprächen mit Lehrern und Eltern wissen wir, dass diese wegen der beabsichtigten Kürzungen in großer Sorge um das Wohl ihrer Grundschulkinder sind. Wir wollen doch lebensfrohe, lebendige, kreative Kinder, die freudvoll umfassend ganzheitlich gebildet werden und in Schulen sind, die sie gerne besuchen, weil sie Schönes erleben.
Wir bitten Sie, die wenig durchdachte Entscheidung zur Änderung der Stundentafel zu überdenken und sich als Mitglied des Bayerischen Kabinetts für eine kinderfreundliche Lösung mit dem Ziel einer umfassenden Bildung einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Eder
I.A. für Kreistagsfraktion und Kreisvorstand B.90/Die Grünen BGL